Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
irgendetwas hinderte mich daran. Die Gefahr war noch nicht vorüber. Es war einfach zu leicht gewesen. Ich kannte die Mächte, gegen die wir kämpften, zu gut, um mir auch nur eine Sekunde lang einzubilden, dass sie so einfach zu schlagen waren.
»Im Prinzip gebe ich dir Recht«, sagte Howard, nachdem ich meine Bedenken in Worte gekleidet hatte. »Aber vielleicht sollten wir jetzt nicht den Fehler begehen, die Gegenseite zu überschätzen. Das kann genauso schlimm sein, wie sie zu unterschätzen. Immerhin haben wir die Würmer nur durch einen geradezu unglaublichen Zufall überhaupt entdeckt. Ein paar Stunden später …«
Aber auch das beruhigte mich nicht. Im Gegenteil. Ich war mir nicht einmal sicher, dass die Würmer wirklich zufällig alle in der Nähe von Andara-House gewesen waren. Nur war mir bisher kaum die notwendige Ruhe geblieben, über diese Frage nachzudenken. Vielleicht hatte ich es auch nicht wirklich gewollt, denn die Antwort darauf lag auf der Hand und sie war alles andere als beruhigend: Die Biester waren nicht gekommen, um London zu vernichten. Sie waren meinetwegen hier. Und außerdem blieb noch die Frage:
»Sie sind also offensichtlich aus dieser Höhle gekommen«, sagte Cohen. »Aber ich frage mich, wie sie hierher gekommen sind.«
»Durch den See«, vermutete ich. Der Gedanke lag auf der Hand. Schließlich war auch Hasseltime aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem kleinen Tümpel in der Mitte der Höhle aufgetaucht. Nebeneinander näherten wir uns dem nahezu kreisrunden Wasserloch.
Der kleine See lag noch genauso da, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Gelegentlich fiel ein Tropfen von der Decke – was erklärte, wie der See überhaupt entstanden war – und ließ kleine Wellenringe entstehen, die sich am Ufer verliefen; ansonsten war die Oberfläche ruhig und unbewegt wie ein Spiegel. Es war nichts Auffälliges an dem See, sah man von dem Gefühl immer stärker werdenden Unbehagens ab, das ich bei dem Anblick empfand und das von dem fast unnatürlich eisigen Hauch stammen mochte, der von der Wasseroberfläche aufstieg.
Howard schien es ebenso zu ergehen wir mir, denn in seinem Gesicht spiegelte sich eine Scheu vor dem See, die mir auch ohne Worte klar machte, dass sein Unbehagen beim Anblick dieses Wasserloches nicht nur dem Wissen entstammte, was aus ihm herausgekommen war.
»Wenn Sie Recht haben«, sagte Cohen, »dann haben wir ein Problem. Was tun wir, wenn noch mehr von diesen Biestern hier auftauchen?«
Ich antwortete nicht, sondern trat unmittelbar an die Kante des fast bis zum Rand gefüllten Felsbeckens, ging in die Hocke und tauchte die Hand ins Wasser. In einer Reflexbewegung hätte ich sie beinahe augenblicklich wieder zurückgerissen. Das Wasser war nicht einfach nur kalt, es war so eisig, dass ich das Gefühl hatte, die Finger würden mir erfrieren. Ich stöhnte unterdrückt auf und mein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Gleich darauf vertrieb die Kälte jedes Gefühl; bis auf ein leichtes Prickeln in den Fingerspitzen wurde meine Hand taub, aber ich unterdrückte weiter den Impuls, sie wieder herauszuziehen. Diese Kälte war eindeutig nicht normalen Ursprungs. Innerhalb der Höhle war es nicht unbedingt warm, allerdings auch nicht gerade kalt. Die Temperatur des Wassers jedoch lag eindeutig weit unter dem Gefrierpunkt – was wiederum völlig unmöglich war, da es in diesem Fall längst hätte gefrieren müssen.
Einen Moment lang lauschte ich gebannt in mich hinein, aber alles, was ich fühlte, waren ein leises Unbehagen und Furcht. Ich bewegte die Hand ein paar Mal hin und her und hatte den Eindruck, eine fast sirupartige, auf jeden Fall wesentlich zähere Flüssigkeit als Wasser zwischen meinen Fingern zu spüren. Auch die gegen den Beckenrand schwappenden Wellen sahen seltsam träge aus und glätteten sich fast sofort wieder.
»Sonderbar«, murmelte ich und zog die Hand zurück. Meine Finger waren immer noch taub vor Kälte. Ich hauchte sie ein paar Mal an und steckte sie zum Aufwärmen unter dem Mantel in die Achselhöhle. Das Prickeln verstärkte sich, als stäche mir jemand mit Tausenden von Nadeln in die Hand.
»Was ist sonderbar?«, erkundigte sich Howard.
»Das Wasser. Hast du nicht gesehen, wie zähflüssig es sich bewegt? Außerdem ist es kalt. Zu kalt.«
»Mir ist nichts aufgefallen«, behauptete Howard zweifelnd. Auch er ging in die Hocke, tauchte seine Hand ins Wasser und plätscherte mit den Fingern. »Nicht gerade warm, aber auch nicht sonderlich
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