Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
bedeuten hatten. Mit einem gellenden Schrei sprang er zurück und riss instinktiv die Linke vor das Gesicht. Seine andere Hand zuckte unter seine Kutte und kam mit einem Revolver wieder zum Vorschein.
Er führte die Bewegung nie zu Ende.
Der Maskierte murmelte ein einzelnes, düster klingendes Wort. Der Revolver wurde Elliot aus den Fingern gerissen und fiel mehrere Yards von ihm entfernt zu Boden. Niemand machte Anstalten, ihn aufzuheben.
Der Maskierte blickte sich kurz zu seinem zwergenhaften Begleiter um, der die ganze Zeit über stumm im Hintergrund gestanden und die Szene regungslos verfolgt hatte, dann wandte er sich wieder Elliot zu. Die gleiche unsichtbare Hand, die zuvor schon Norris gepackt und die auch Howard bereits am eigenen Leib gespürt hatte, ergriff den immer noch schreienden Hageren, hob ihn in die Höhe und ließ ihn über den See schweben. Roter Nebel quoll unter seiner Kutte hervor. Die Lava begann wieder stärker zu brodeln und erneut waren schattenhafte, schwarze Konturen darin zu entdecken; jedoch wiederum nur zu kurz und zu undeutlich, um sie wirklich zu erkennen. Elliots Schreie verstummten.
Howard wandte sich ab, als sich der blutige Nebel langsam zur Lava hinabsenkte und sich Sekunden später auch der unsichtbare Griff um Elliots Leichnam löste.
»Erschreckt Sie das Schicksal des Verräters?«, erkundigte sich der Maskierte ungerührt.
Howard wollte antworten, doch in seinem Hals saß plötzlich ein bitterer, harter Kloß, der ihn am Sprechen hinderte. O ja, Elliots Schicksal erschreckte ihn, aber noch mehr schockierte ihn die Gleichgültigkeit, die der Maskierte nicht nur dem Leben Fremder, sondern auch seinen eigenen Leuten entgegenbrachte. Zudem war er immer stärker davon überzeugt, dass er die Stimme kannte.
»Das braucht es nicht«, fuhr der Mann fort. »Ich wusste schon seit Tagen, dass Bruder Elliot es darauf abgesehen hat, meine Stelle einzunehmen, doch er hat sich zu ungeschickt angestellt und zu viele Fehler begangen. Es ist nicht schade um ihn, zumal ich mir sicher bin, dass Sie die besten Voraussetzungen mitbringen, um bereits in kurzer Zeit an seine Stelle zu treten. Aber Sie sollten sich sein Schicksal eine Lehre sein lassen. So wie ihm ergeht es allen, die versuchen, mich zu hintergehen. Jene in der Tiefe lassen sich nicht täuschen.«
»Sie … Sie müssen verrückt sein«, keuchte Howard. »Lieber sterbe ich, als Ihnen bei Ihren wahnsinnigen Plänen auch noch zu helfen!«
»Ich fürchte, diese Wahl bleibt Ihnen nicht, Lovecraft«, erwiderte der Maskierte mit der gleichen unerschütterlichen Ruhe, die er die ganze Zeit über gezeigt hatte. »Ihnen bleibt überhaupt keine Wahl mehr. Und es kommt nicht im Geringsten darauf an, was Sie wollen. Sie stehen längst schon auf unserer Seite, auch ohne es zu wissen. Ihnen bleibt gar nichts anderes übrig, als uns zu helfen.«
»Niemals! Ich -«
Die Hand des Maskierten zuckte vor und tastete nach Howards Gesicht. Die gespreizten Finger pressten sich gegen seine Schläfe. Erneut spürte Howard die glühende Pranke in seinem Kopf, doch diesmal war er darauf vorbereitet. Einen Augenblick, bevor sie zuschlagen konnte, versetzte er dem Maskierten einen kraftvollen Stoß gegen die Brust, der den Mann zurücktaumeln ließ, wobei er bis fast an den Rand der Lava geriet.
»Haltet ihn auf!«, brüllte er.
Howard lief los. Mit einer Kraft, die ihn selbst überraschte, stieß er zwei, drei Männer zur Seite, die sich ihm in den Weg stellten, und rannte blindlings auf einen der Stollen in der Felswand zu.
»Worauf wartet ihr noch!«, brüllte der Maskierte. »Fangt ihn! Er darf uns nicht entkommen!«
Howard rannte so schnell, wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Obwohl ich mir während der ganzen Kutschfahrt nicht gestattet hatte, sonderlich große Hoffnungen aufkeimen zu lassen, versetzte es mir dennoch einen Stich, als ich nach unserer Rückkehr von Mrs. Winden erfahren musste, dass Howard weder zurückgekehrt war noch eine Nachricht geschickt oder sich sonstwie gemeldet hatte. Meine Besorgnis wuchs. Inzwischen gab es für mich keinen Zweifel mehr, dass ihm etwas zugestoßen sein musste. Es war mittlerweile früher Nachmittag und er würde nicht für so lange Zeit einfach verschwinden, ohne zu sagen, wo er hinging oder sich wenigstens zu melden, da er wissen musste, dass wir uns Sorgen machten.
Der einzige Anhaltspunkt war die Zeitung, in der er vor seinem überhasteten Aufbruch gelesen und offenbar etwas entdeckt hatte,
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