Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
Ausgang zu. Die Nachricht, dass weitere Leute verschwunden waren, beunruhigte ihn offenbar sehr. Vermutlich machte er sich auch Selbstvorwürfe, dass er Howard einfach allein hatte wegfahren lassen.
»Warten wir erst einmal ab, bis wir wieder im WESTMINSTER sind. Vielleicht ist er ja inzwischen zurück und wartet selbst ganz ungeduldig auf uns«, sprach ich aus, womit ich mich bereits in Cohens Büro selbst aufzumuntern versucht hatte, aber auch jetzt fiel es mir selbst schwer, an meine Worte zu glauben.
Und obwohl ich mir gewünscht hätte, dass ich mich irrte, sollte ich Recht behalten.
Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass Howard aus einer Bewusstlosigkeit erwachte, aber es war das erste Mal, dass er auf diese Weise in die Realität zurückfand. Er erwachte nicht, sondern wurde erwacht, von etwas, das wie eine glühende Pranke nach seinem Geist griff und ihn mit purer Gewalt in die Realität zurückriss.
Er spürte, dass er nicht lange ohne Bewusstsein gewesen war; ein paar Minuten höchstens, vielleicht sogar nur Sekunden. Das Erste, was er nach seinem Erwachen sah, war eine goldene Gesichtsmaske von grausamem Schnitt mit Augen aus geschliffenem Rubin, die kalt auf ihn herabstarrten. Auch der Mann mit der Maske war in eine Art Kutte gehüllt, allerdings war sie im Gegensatz zu denen der anderen schwarz.
Beinahe im gleichen Moment, in dem Howard die Augen aufschlug, griff die glühende Faust, die ihn aus der Ohnmacht gerissen und zuvor vor den Ssaddit geschützt hatte, ein weiteres Mal nach seinen Gedanken, zwang ihn, sich aufzusetzen und nach einer weiteren Sekunde vollends aufzustehen. Es war ihm unmöglich, sich den Befehlen der fremden Macht zu entziehen, sodass er sich auf die Beine quälte, obwohl er nur mit Mühe stehen konnte und das Gefühl hatte, als ob ihn ein paar Riesen während seiner Ohnmacht als Punching-Ball missbraucht hätten.
Erst als er stand, sah er, dass ein paar Schritte hinter dem Maskierten noch eine weitere Gestalt stand, die ebenfalls eine schwarze Kutte trug. Es handelte sich um einen Liliputaner oder ein Kind und reichte Howard gerade bis zur Hüfte. Das Gesicht der Gestalt war im Dunkel unter der tief in die Stirn gezogenen Kapuze verborgen.
»Mister Lovecraft?«
Es war mehr eine Feststellung als eine Frage und obwohl – oder gerade weil – die Stimme nur stark verzerrt hinter der Maske hervordrang, war es die mit Abstand unangenehmste Stimme, die Howard je gehört hatte. Vorsichtshalber versuchte er erst gar nicht, sich das dazu passende Gesicht vorzustellen.
»Ich hoffe, Ihnen ist bewusst, dass ich Sie gerade vor dem sicheren Tod gerettet habe, Lovecraft«, fuhr der Maskierte fort. »Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich nicht Ihr Feind bin.«
»Ach nein?«, stieß Howard hervor. »Wahrscheinlich handelt sich alles nur um ein Missverständnis, nicht wahr?«
»In gewisser Hinsicht. Zumindest hege ich keinerlei persönliche Feindschaft gegen Sie.«
»So wenig wie gegen diesen Norris?« Howard schrie fast. »Es war gar nichts Persönliches, wie? Genau wie bei Treymour und Montgomery und -«
»Genug!« Der Maskierte schnitt ihm mit einer herrischen Geste das Wort ab. »Opfer müssen im Interesse unserer Ziele gebracht werden. Man kann nun einmal kein Omelett zubereiten, ohne ein paar Eier zu zerschlagen.«
Fassungslos starrte Howard sein Gegenüber an. Wut loderte in ihm empor, aber stärker noch als sein Zorn war sein Entsetzen über die Gleichgültigkeit, mit der der Mann über Menschenleben sprach.
»Sie …«, keuchte er. »Sie verdammter -«
Erneut schlug die glühende Pranke in seinem Geist zu, brachte Howard zum Verstummen und ließ ihn stöhnend auf die Knie sinken. Der Maskierte betrachtete ihn einige Sekunden lang durch seine kalten, ausdruckslosen Rubinaugen, dann wandte er sich an einen nur wenige Schritte entfernt stehenden Kuttenträger.
»Wer hat befohlen, Lovecraft zu opfern?«
Der Mann kam erst gar nicht zum Antworten.
»Ich war es, Meister«, antwortete der Hagere, der Howard bei seiner Ankunft in der Höhle in Empfang genommen hatte, an seiner Stelle und trat näher. Seine Stimme klang unterwürfig, zugleich aber auch aggressiv und auf seinen Zügen lag ein verbissener, beinahe trotziger Ausdruck. Er hatte die Lippen zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammengepresst und sein Gesicht erschien Howard ein wenig blasser, als er es in Erinnerung hatte.
»Bruder Elliot«, sagte der Maskierte. »Natürlich, ich hätte es mir denken
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