Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
Andara-House ein finsterer Ort gewesen; zwar groß – für meinen Geschmack sogar ein paar Nummern zu groß – aber stets von einem Hauch von Dunkelheit erfüllt. Nicht einmal an Sonnentagen schien es in den hohen, großen Räumen jemals richtig hell zu werden, was weder daran lag, dass die Fenster zu klein gewesen wären, noch an den schweren, in gedeckten Farben gehaltenen Stoffvorhängen oder Tapeten, auch wenn all das sicherlich ebenfalls eine Rolle spielte. Aber die Düsternis schien sich wie ein Bestandteil des Hauses in diesen Mauern eingenistet zu haben und sich durch nichts vertreiben zu lassen.
Das jedoch war das alte Andara-House gewesen. Das Gebäude, das zu errichten ich Storm den Auftrag erteilt hatte, sollte jedoch ein völlig anderes Haus werden, das dem alten zwar äußerlich glich und sich auch was die Raumaufteilung betraf weit gehend an dem alten Vorbild orientierte, das aber dennoch ein gänzlich anderes Gebäude werden sollte. Sämtliche verwendeten Materialien waren neu. Ich hatte wohlweislich sogar die ausdrückliche Anordnung gegeben, selbst die noch vorhandenen Grundmauern niederzureißen. Mit Ausnahme der weitgehend unversehrt gebliebenen Kellergewölbe dürfte hier buchstäblich kein Stein mehr auf dem alten stehen. Ich hatte ein neues Leben begonnen und ich wollte ein Zuhause, das so war, wie dieses Leben sein sollte – hell, freundlich und nach Möglichkeit sogar ein bisschen verspielt.
»Und?«, fragte ich. »Warum bauen Sie denn nicht einfach so, wie es in den Plänen steht?« Ich deutete auf die Wand, an der gleich drei Gruppen so trefflich gegeneinander arbeiteten. »Wenn ich mich recht erinnere, sollte dort eine Täfelung aus hellem Fichtenholz hin. Was soll also der Unsinn mit der Farbe und der Tapete?«
»Genau davon spreche ich ja«, entgegnete Storm. »Wir haben es versucht, aber irgendetwas an diesem Haus ist … nun ja, seltsam.« Er zuckte verlegen mit den Schultern.
»Was meinen Sie damit?«
»Ich habe die vorgesehene Täfelung anbringen lassen, jedenfalls an einem Teil der Wand. Aber sie hielt einfach nicht.«
»Wie?«, fragte ich.
Storm zog den Kopf zwischen die Schultern und wich meinem Blick aus. »Sie ist … einfach wieder heruntergefallen«, sagte er kleinlaut. »Ich kann mir das auch nicht erklären.«
»Aber ich«, sagte Howard scharf. »Ihre Leute haben schlampige Arbeit geleistet. Das ist das ganze Geheimnis.«
Storm schüttelte heftig den Kopf. »Das habe ich auch erst gedacht. Wir haben mit der Arbeit neu begonnen und diesmal habe ich alles persönlich überwacht. Sie können mir glauben, ich verstehe mein Handwerk!« Er blickte herausfordernd von einem zum anderen und schien auf Widerspruch zu warten. Als dieser nicht kam, wirkte er für einen Moment regelrecht enttäuscht, fuhr dann aber fort: »Das Mauerwerk weigerte sich einfach, den Haftputz anzunehmen. Die Platten fielen jedesmal wieder herunter, egal, was wir versucht haben. Die Schrauben haben einfach nicht gehalten. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Wir haben den Untergrund auf alle nur denkbaren Arten bearbeitet, aber nichts hat etwas genutzt. Deshalb haben wir es schließlich mit Tapeten versucht, die waren ja als Alternative im Gespräch. Aber auch sie halten nicht. Spätestens nach einer halben Stunde fallen sie wieder ab.«
»Wie’s aussehn tut, sinn Ihre Männa einfach zu blöd«, raunzte Rowlf. »Oder’s liegt am Boss vonnem ganzen Gedöns.«
Ich lächelte flüchtig, war aber nachdenklich geworden. Möglicherweise tat ich Storm nämlich Unrecht. Einen ähnlichen Misserfolg bei dem Versuch, das Haus renovieren zu lassen, hatte ich vor Jahren schon einmal erlebt. Aber damals war es das ursprüngliche Andara-House gewesen, das mein Vater hatte errichten lassen, und das sich gegen jede Änderung wehrte. Zum Teufel noch mal, das hier war ein vollkommen neues Haus.
Mein Haus.
»Offenbar haben Sie schlechte Materialien verwendet«, sagte ich. »Die Bausubstanz ist schlecht, wenn die Wände weder Kleister, noch Grundierung annehmen. Ganz ehrlich, Mister Storm – Sie haben wirklich alles abreißen und durch neues Material ersetzen lassen?«
»Oder haben Sie vielleicht nur neues Material berechnet und das, was noch gut erschien, stehen gelassen?«, fügte Howard hinzu.
»Bestimmt nicht«, verteidigte sich Storm auf eine Art und mit einem Gesichtsausdruck, die in mir den Verdacht wachriefen, dass Howard mit seiner Vermutung der Wahrheit ziemlich nahe gekommen sein musste. »Es wurden
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