Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
meinerseits zu dulden.
Das Schlimmste an allem war, dass ich ihm insgeheim sogar Recht geben musste, so sehr mich seine umständliche, geschwollene Art auch reizte. Unabhängig davon, dass ich an vielen der merkwürdigen Ereignisse gerade in den letzten beiden Tagen keinerlei Schuld trug, hatte ich mir bereits ziemlich viel herausgenommen.
Aber das war im Moment noch mein geringstes Problem. Ein Bad und ein ausgiebiges Frühstück hatten meine Lebensgeister wieder geweckt, und obwohl ich bei meinem nächtlichen Ausflug zahlreiche Prellungen erlitten hatte, die sich zu prachtvollen blauen Flecken entwickelt hatten, hatte ich doch wenigstens keinerlei ernsthafte Verletzungen davongetragen.
Nein, viel mehr beunruhigte mich, wie es überhaupt zu diesem Ausflug hatte kommen können. Ich hatte Howard bislang nichts davon erzählt, da erstens die Zeit für einen ausführlichen Bericht nicht ausgereicht hätte und ich zweitens so vieles selbst noch nicht verstand, dass ich nicht gewusst hatte, wie ich in Worte kleiden konnte, was passiert war. Dafür war alles einfach zu unglaublich. Nach logischem Ermessen war es schlichtweg unmöglich, dass ich durch eine Treppe in einem Schrank mitten im Hilton in ein gigantisches, bislang unbemerktes Labyrinth direkt unter der City von London hinabgestiegen war, doch menschliche Logik und Naturgesetze waren Maßstäbe, die für die GROSSEN ALTEN nicht galten. Ich machte mir viel weniger Gedanken darüber, wie ich in dieses Labyrinth gelangt war, als viel mehr darüber, was das zu bedeuten hatte, was ich dort erlebt hatte, zumal ich mich nur undeutlich an einige Details erinnern konnte.
Da war zunächst einmal der Junge. Deutlich erinnerte ich mich noch daran, wie ich ihn an dem unterirdischen See getroffen und er mich angegriffen hatte, aber es gelang mir nicht, mir sein Aussehen klar ins Gedächtnis zu rufen. Wann immer ich es versuchte, blieb sein Gesicht nur eine verschwommene Fläche.
Ein weiteres Rätsel schließlich bildeten die Seeleute, die ich gesehen hatte. An ihr Aussehen immerhin erinnerte ich mich und was ihre Identität betraf, so hatte ich zumindest einen vagen Verdacht; und obwohl auch er aller Logik Hohn sprach, so hoffte ich, dass Kapitän Blossom wenigstens in dieses Mysterium ein klein wenig Licht bringen würde. Deswegen hatte ich darauf bestanden, ihn so schnell wie möglich aufzusuchen, so unverständlich diese Eile auch für Howard war.
Und dann war da noch Merlin, wie ich den Kater aufgrund seiner merkwürdigen Fähigkeiten und seines noch merkwürdigeren Verhaltens inzwischen getauft hatte, doch ich hatte es zumindest vorläufig aufgegeben, mir über ihn den Kopf zu zerbrechen. Während ich mich zurecht gemacht hatte, hatte er sich heißhungrig über die Milch und die Fleischhäppchen vom vergangenen Abend hergemacht, um sich anschließend auf meinem Bett zu einem Verdauungsschläfchen zusammenzurollen. Ich hoffte, dass er beim Aufwachen nicht vor lauter Langeweile – oder aus purer Gehässigkeit, wozu Katzen manchmal einen besonders ausgeprägten Hang zu haben scheinen – ausprobierte, wie lange er brauchte, um die kostbaren Vorhänge zu zerfetzen, oder seine Initialen in die nicht minder kostbaren Möbel zu schnitzen.
Wir schritten durch einen kleinen Vorgarten und blieben vor der Haustür stehen. Ich betätigte den Türklopfer. Es dauerte nicht lange, bis eine ältliche Gouvernante mit einem Häubchen auf dem Kopf uns öffnete. »Sie wünschen?«, fragte sie in nicht unbedingt freundlichem Ton.
Ich bemühte mich, so unbefangen wie möglich zu lächeln, obwohl ich die Feindseligkeit spürte, die von ihr ausging. »Mein Name ist Robert Craven, das ist Howard Lovecraft«, stellte ich uns vor. Rowlf war diesmal nicht mit uns gekommen. Wenn Blossom wirklich unter Verfolgungswahn litt, hätte das Aussehen des Hünen vermutlich nicht besonders Vertrauen erweckend auf ihn gewirkt.
»Und?«
»Wir kommen von Inspektor Cohen und würden gerne mit Kapitän Blossom sprechen.«
Das Gesicht der Frau wurde eine weitere Spur abweisender. »Schon wieder?«, entgegnete sie. »Der Kapitän hat der Polizei doch gestern Vormittag schon alle Fragen beantwortet. Lassen Sie den armen Mann doch endlich in Ruhe. Er hat genug mitgemacht.«
»Wer ist denn da?«, ertönte eine barsche, männliche Stimme aus dem Inneren des Hauses.
»Schon wieder zwei Polizisten«, antwortete die Haushälterin. Ich setzte dazu an, diesen Irrtum richtig zu stellen, aber die Stimme aus dem
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