Hexer-Edition 24: Das Haus der bösen Träume
die Flucht gelingen sollte, hätten die GROSSEN ALTEN sie mit Hilfe dieser Scheiben sofort wieder aufspüren können. Aber ich habe keine Ahnung, wie.«
»Und das sollen wir dir glauben?«, fragte Howard misstrauisch.
»Glaubt doch, was ihr wollt«, gab Joshua patzig zurück. »Warum sollte ich euch wohl belügen? Irgendwie kann man mit diesen Dingern die Spur der Thul Saduun durch die Tore verfolgen. Sie wissen doch sonst immer alles, Howard. Wenn sie wirklich so klug sind, wie Sie immer tun, wird es Ihnen ja wohl nicht schwer fallen, auch das herauszufinden«, fügte er boshaft hinzu.
Howard schluckte und funkelte ihn zornig an, aber bevor es zu einem Streit kommen konnte, ergriff ich rasch wieder das Wort.
»Du sagtest, nur noch diese beiden Scheiben hätten sich an dem Relief befunden, als du es nach London gebracht hast«, wandte ich mich an Joshua. »Und Howard hat gerade berichtet, dass er nur noch eine weitere erhalten hätte, nachdem ich nach R’lyeh verschleppt wurde, nämlich die, in die Langley in meinem Traum seine Nachricht geritzt hatte.« Ich machte eine kurze Pause und blickte Howard und Joshua der Reihe nach an. »Zu diesem Zeitpunkt war das Relief aber noch durch drei dieser Scheiben gesichert. Was, zur Hölle, ist also mit der dritten passiert?«
Ein gellender Schrei ließ Jennifer Garnett hochschrecken. Sie sprang auf, hastete auf die Tür zu Clarissas kleiner Schlafkammer zu und riss sie auf. Obwohl das Mädchen sich an die schreckliche Vision vom Vormittag so wenig erinnern konnte, wie an sonst eine, hatte es sich den ganzen Tag über nicht mehr richtig davon erholt. Clarissa war geistesabwesend und apathisch gewesen, geplagt von einer depressiven Stimmung, für die sie keine Erklärung fand, und Jennifer hatte es nicht über sich gebracht, ihr zu erzählen, was sie während ihrer Trance vorhergesagt hatte.
Bereits mit Beginn der Dämmerung hatte Clarissa sich in ihr Zimmer zurückgezogen und schlafen gelegt. Als Jennifer jetzt in die Kammer stürmte, saß das Mädchen aufrecht im Bett und starrte sie mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen an, den Mund noch immer geöffnet, obwohl ihr Schrei inzwischen verstummt war.
»Was ist los, Liebes?«, stieß Jennifer hervor.
»Sie kommen«, keuchte Clarissa. »Böse Menschen. Und sie tragen die Finsternis mit sich.«
Erschrocken musterte Jennifer ihre Tochter. Clarissa war nicht völlig bei Sinnen, befand sich aber auch nicht in Trance, sondern in einem Zwischenstadium, das Jennifer noch nie erlebt hatte. Und was sie sagte …
»Wovon sprichst du, Kind?« Jennifer trat auf sie zu und wollte sie beruhigend an sich ziehen, doch Clarissa wich ihr aus und sprang auf der anderen Seite aus dem Bett.
»Sie kommen, um mich zu holen!«, stieß sie hervor. »Sie werden schon bald hier sein. Wir müssen fliehen, Mutter, schnell!«
Wie zur Bestätigung ihrer Worte dröhnten in diesem Moment wuchtige Faustschläge gegen die Tür der Hütte. »Aufmachen!«, befahl jemand.
Clarissa blickte sich gehetzt um, dann eilte sie zum Fenster und öffnete es. Mit geschmeidigen Bewegungen kletterte sie ins Freie. »Komm schon, Mutter! Etwas Schreckliches wird geschehen, wenn sie uns erwischen. Wir müssen fliehen!«
Wieder erbebte die Tür unter heftigen Schlägen. Die Hütte war kaum mehr als eine alte, windschiefe Kemenate und solcher Gewalt nicht gewachsen. Jennifer hörte, wie das Holz zu splittern begann.
»Lauf weg!«, stieß sie hervor. »Du musst allein gehen. Ich versuche sie aufzuhalten.«
Ohne Clarissa Gelegenheit zum Widerspruch zu geben, fuhr sie herum und stürmte zurück in die Wohnstube. Kaum eine Sekunde später wurde die Tür von einem besonders harten Schlag oder Tritt aus den Angeln gerissen und polterte zu Boden. Mehrere Einwohner des Dorfes, die Jennifer vom Ansehen her flüchtig kannte, drängten über die Schwelle. Zahlreiche andere befanden sich noch hinter ihnen.
»Wo ist die Hexe?«, blaffte der Vorderste der Eindringlinge sie an. So weit sie sich erinnerte, hieß er Conelly. »Wo ist deine Tochter?«
»Was … wollt ihr von ihr?«, entgegnete Jennifer. Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen möglichst festen Klang zu verleihen, merkte aber selbst, dass es ihr nicht gelang. Irgendetwas stimmte mit den Männern und Frauen nicht. Sie erkannte es in ihren Augen. Das waren nicht die Menschen, die sie kannte. Auch ohne die Gabe des zweiten Gesichts spürte sie, dass sie sich auf entsetzliche Art verändert hatten, eine Art, die ihr
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