Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
merkwürdige Gesellschaft Unterschlupf in einem alternativen Kulturzentrum. Der an Krebs erkrankte Sonky macht sich immer mehr daran, mithilfe seiner Munitionskisten die scheinbare Realität zu zerstören: »Ich habe Krebs, weil ich nicht leben will, weil ich sterben will. Aber der Krebs, der meinen Körper zerstört, wie das Alter normalerweise die Menschen auflöst, ist unversöhnlich, ist wildgewordene Information, ist unerbittlich. Mein Krebs ist bedingt durch meine Wahrnehmung und meine Wahrnehmung ist verursacht durch meine
schlechte Konditionierung. Eingespeichert in den zwei Munitionskisten, festgeschrieben, lagert der ganze Syph der verrotteten Geschichte. Massenmord. Brennöfen. Es hört ja nie auf. Der Krebs zerstört mich, verwandelt mich, und zugleich verformt er die Welt, die gesamte Schöpfung. Ich bin zum Gott geworden. Zum Gott des Todes … Zu einem Traumtänzer auf einer Endlosschlaufe. Ich werde nicht mehr ruhen, bis ich alles zerstört, alle Informationen restlos verbraucht habe.«
Während bei Philip K. Dick die Realität als solche vom Zerfall bedroht ist bzw. lediglich ein Trugbild darstellt, zerfällt bei Reimann die individuelle, private Existenz – die persönliche Realität jedes Einzelnen wird durch den unvermeidlichen Tod ausgelöscht. Es schert Reimanns Figuren nur wenig, dass ihre Welt unwirklich ist, da die »reale« Bedrohung durch den Tod schließlich viel furchtbarer ist, als es das Spiel mit der Realität je sein könnte. Immerhin sind hier die Spielregeln mehr als klar und laufen zwangsläufig auf das immer gleiche unausweichliche Ergebnis hinaus. Bei aller Düsternis ist »Sonky Suizid« jedoch nicht gänzlich ohne Hoffnung: »Wir sind aber nicht mehr tot … Wir leben, wir leben in einer Einbildung, aber wir leben.«
Gero Reimann verfasste »Sonky Suizid« bereits 1983 und bot ihn vergeblich verschiedenen Verlagen an. Etwa ein Jahr vor seinem Tod im August 2009 (den er sicher ahnte, da seine Krebserkrankung erneut ausgebrochen war) digitalisierte und überarbeitete er das Manuskript, sodass dieses für ihn offensichtlich persönlich sehr wichtige Werk wenigstens noch posthum erscheinen konnte. »Sonky Suizid« kann damit durchaus als Vermächtnis eines der interessanteren deutschen SF-Autoren bezeichnet werden. Der 1944 in Lódz geborene Gero Reimann veröffentlichte vor allem in den Achtzigerjahren einige gelungene Storys in Anthologien unter anderem bei Moewig und Heyne. Daneben legte er einige recht eigenwillige Kolumnen in dem Magazin Phantastische Zeiten vor. Sein Roman »Lila Zukunft und hellgelbe Liebe«, der 1984 ebenfalls bei Heyne herauskam, dürfte zu den originellsten Werken der bundesdeutschen Science Fiction zählen und kann auch heute noch mit einigem Vergnügen gelesen werden. In »Dick«, einer »Opernerzählung«, die im selben Jahr im id-Verlag erschien, beschäftigte
er sich mit dem Leben und Sterben Philip K. Dicks. Später wurde es eher still um Reimann, nur dann und wann fand sich eine Kurzgeschichte in der Computerzeitschrift c’t oder dem SF-Magazin Nova . Das Erscheinen von »Sonky Suizid« hat Gero Reimann leider nicht mehr erlebt.
Nicht unerwähnt bleiben sollen das lesenswerte Vorwort von Winfried Czech und die passenden, an manche Werke Alfred Kubins erinnernden, surrealen Illustrationen von Caroline Kohler.
Christian Hoffmann
JOHN SCALZI
DER WILDE PLANET (FUZZY NATION)
Roman · Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen · Wilhelm Heyne Verlag, München 2011 · 382 Seiten · € 8,99
Die gute Nachricht zuerst: Auch bei diesem Scalzi-Buch hat das Cover-Motiv mit seinem aus allen Rohren feuernden Raumschiff nicht das Geringste mit dem Inhalt zu tun.
Danach die Information für die »Generation Cover-Version« bzw. die »Copy-Paste-Zivilisation«: John Scalzi hat sich einen alten und – zumindest in Deutschland – wenig bekannten SF-Roman von 1962 vorgenommen und in seinem eigenen Stil neu erzählt. Es handelt sich um »Little Fuzzy« von H. Beam Piper, auf Deutsch unter den Titeln »Der kleine Fuzzy« und »Was ist los auf Planet Zeno?« erschienen. Und nein, man muss das Vorbild nicht kennen, um an Scalzis Hommage seinen Spaß zu haben.
Die Handlung ist schnell umrissen: Als freier Mitarbeiter eines interstellaren Bergbaukonzerns entdeckt der Prospektor und Ex-Anwalt Jack Holloway auf dem Planeten Zara XXIII ein ergiebiges Vorkommen überaus wertvoller Sonnensteine, was ihn für den Rest seines Lebens zu einem sehr reichen
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