Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
Vom Netzwerk:
reagieren, wenn sich die Monologe kreuzen, was dann zu feinen Mehrdeutigkeiten führt – ein schönes dramaturgisches Mittel. Die vier Figuren verkörpern vier Haltungen gegenüber der Katastrophe und deren Folgen. Auf ihre jeweils eigene Weise zeigen sie die Verdrängungsmechanismen, die sich offenbar vor einer drohenden Katastrophe nicht viel anders äußern als nach einer Katastrophe – ein interessanter Aspekt!
    Musik (Alphorn, E-Gitarre, elektronische Effekte) und Geräusche schaffen Atmosphäre und kommentieren bisweilen. Zu Beginn des Hörspiels intoniert ein Alphorn aufsteigende Tonfolgen, deren letzte Töne jeweils »absterben«, bis sich zum Schluss sirenenartige Schwebungen ergeben (durch geringfügige Tonhöhenschwankungen von zwei gleichen Alphorntönen, mit Hall/Echo bearbeitet). Das Alphorn steht hier einerseits als Nationalinstrument der Schweiz und andererseits für die Reinheit der Natur. Beides ist in Gefahr, was die »absterbenden« Töne und die sirenenartigen Schwebungen signalisieren. Zugleich verweisen sie auf die unsichtbare Bedrohung durch eine verstrahlte, scheinbar unberührte Natur.
    Strahlenopfer: Herwig Ursin (Sascha)
    Die Schweiz nach dem GAU: Marjam Japp (Journalistin)
    Ganz bewusst haben sich der Autor und der Theaterregisseur in diesem Stück für einen GAU in der Schweiz entschieden und nicht in einem Land fernab (nach Goethe: »Hinten, weit, in der Türkei«). Mit dieser Entscheidung befinden sie sich in guter Gesellschaft. Schon Friedrich Dürrenmatt hat um 1980 in seiner Erzählung »Der Winterkrieg in Tibet« die Schweiz als verstrahltes Land gedacht. Für Dürrenmatt lag damals die Bedrohung durch einen atomaren Dritten Weltkrieg näher als der GAU in einem
Atomkraftwerk – das hat er kurioserweise tief in die Erde »gebaut«, unter die Blümlisalp, wohin sich die Regierung und das Parlament schon vor Ausbruch des Dritten Weltkriegs in ein riesiges Bunkersystem zurückziehen.
    Anlass für das Theaterstück Die leuchten in der Nacht und die Hörspieladaption bot die in der Schweiz neu entflammte Debatte über den Bau von drei neuen AKWs (zur CO 2 -Minderung). Und das nach 40 Jahren Atomunfall im Schweizer Ort Lucens und nach knapp 25 Jahren GAU in Tschernobyl! Ein hochpolitisches Stück also und ein lobenswertes Experiment allemal.
    Ob so ein Hörspiel respektive ein Theaterstück die Menschen wachrütteln kann, bleibt fraglich. Doch dabei geht es generell um die Frage, inwieweit die künstlerische Verarbeitung eines Themas bewusstseinsverändernd wirken kann. In diesem Fall hat der GAU in Fukushima gewiss mehr Menschen wachgerüttelt, mehr auch als seinerzeit der GAU in Tschernobyl. In der Schweiz wurden nach Fukushima keine neuen AKWs mehr geplant, doch die Laufzeiten einiger alter Atommeiler wurden auf 50 bis 60 Jahre verlängert …
    Christiane Timper
    HELMUT MITTERMAIER
:AM DIENSTAG UM NEUN SIND DIE ERDBEEREN REIF
    Komposition und Realisation: Helmut Mittermaier · Südwestrundfunk 2009
     
    Eine konspirative Widerstandsgruppe irgendwo unter einem autoritären Regime, dessen Politik ausschließlich den Interessen eines mächtigen, einflussreichen Konzerns dient. Faktisch sind beide längst eins geworden: Der Konzern diktiert Regierung, Justiz und Exekutive, was zu geschehen hat. Einzige Ideologie: die totale Kontrolle zum Zweck der Machterhaltung. Die Hörer erfahren nichts Konkretes; sämtliche Informationen werden von kurzen Nachrichten auf den Anrufbeantwortern der Gruppenmitglieder geliefert, wobei der Hörer gleichsam einem anonymen staatlichen Überwachungsorgan über die Schultern schaut. Die Puzzleteile dieser Gesprächsfetzen verdichten sich allmählich zu einem höchst klaustrophobischen Bedrohungsszenario.

    Nicht erst seit »1984« zählen Warnungen vor totalitären Staatssystemen zum dystopischen Standardrepertoire der Science Fiction. Heute wirft die Gefahr zunehmender Überwachung immer bedrohlichere Schatten auch auf vermeintlich funktionierende Demokratien, die zunehmend in den Griff globaler Wirtschaftsabhängigkeiten geraten. Was den Konzernen nützt, soll die Politik durch entsprechende Gesetze legalisieren. Auch dem Hörspiel liegt dieser negative utopische Ansatz zugrunde, aber auf überaus originelle Weise aufgrund seines dramaturgischen Ansatzes, das Panorama des autokratischen, omnipotenten staatlichen Kontrollsystems erst allmählich vor dem geistigen Auge zu entfalten und so die schier ausweglose Situation nicht staatskonformer Bürger

Weitere Kostenlose Bücher