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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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eine eigens errichtete Schutzmauer schirmt sie nach außen ab. Einlass gewähren nur die beiden Warlords beziehungsweise deren Wachsoldaten, und zwar gegen eine Gebühr von 500 Euro (statt Franken!). Man wundert sich ein wenig, dass hier überhaupt noch Menschen leben können. Autowracks liegen herum. Gras wächst aus dem Asphalt. Tag und Nacht schaffen Züge Abfälle aus Atomanlagen des ganzen Kontinents herbei. Die Deutschschweiz als Zwischen- oder Endlager für radioaktiven Müll?
    All dies erfahren wir von einer Journalistin, die selbst als Kind hier gelebt hat und nach dem GAU geflohen ist. Nun, über zwanzig Jahre später, kehrt sie zurück, um einen Herrn Steiner zu interviewen, einen der beiden »Diktatoren«. Die Journalistin berichtet in einem auffallend nüchternen, distanzierten Ton, als müsse sie die Emotionen wegreden, ehe diese über sie kommen könnten. Ganz anders Sascha, der, offenbar traumatisiert von der Atomkatastrophe, vielleicht auch am Ende seiner Lebenskraft, ständig scheinbar Unsinniges stammelt. Seine Gedanken kreisen immer wieder um die (vermutlich) vor ihm liegende tote Kuh und um Milch, die sie ihm geben könnte, um seinen Durst zu stillen. Er wirkt geistig stark reduziert, bisweilen wirr (Zerfallserscheinungen aufgrund der Radioaktivität?) mit seinen sich ununterbrochen wiederholenden Wörtern und Satzfragmenten.
    Den beiden stehen der »Mann in der Wohnung« namens Jan und die »Frau aus dem Hubschrauber« gegenüber. Der eine negiert das Geschehene und die radioaktive Bedrohung, die andere ignoriert es. Immerfort versucht Jan sich einzureden, dass das alles nicht wahr ist. Das gipfelt in einem grotesk-absurden Telefon-Dialog, in dem er fragt: »Gau? Sie wollen einen Gau machen? Und wann wollen sie den machen? Also diese Woche ist sehr schwierig. Alles voll bei mir …« Erst als Jan im Bioladen von einer Verteidigerin der letzten dort befindlichen Lebensmittelkonserven mit einem Messer verletzt wird, holt ihn die Realität ein. Erst diese Verletzung wird für ihn zur Bedrohung. Die unsichtbare Strahlung konnte er noch wegdiskutieren, doch das Blut, das aus seiner Wunde tropft, das begreift er nun ganz real.

    Prophetischer Autor: Gerhard Meister (Autor)
    Diese Szenen spielen sich offenbar kurz nach der Katastrophe ab (zwanzig Jahre später wären die Vorräte wohl kaum noch brauchbar). Erst einige Jahre darauf ereignen sich die Erlebnisse der »Frau aus dem Hubschrauber«. Sie ist Ski-Touristin und gemeinsam mit ihrem Partner Alex auf dem Rückweg vom Heli-Skiing in den Schweizer Alpen. Doch der Heli stürzt ab, vier Menschen sterben, nur sie und Alex überleben, vorerst … und sitzen mitten im kontaminierten Gebiet fest. Die Skitouristin ist von einer geradezu grotesken Naivität, weiß offenbar nicht, was es bedeutet, in einem radioaktiv verseuchten Gebiet zu sein. Alex, der selbst nie spricht und nur durch die Skitouristin anwesend ist, weiß um die Bedrohung und um die aussichtslose Lage, in der sich beide befinden. Verzweifelt versucht er, sie davon zu überzeugen, ihre Handschuhe und ihren Skianzug anzubehalten, als ob dieser ein Strahlenschutzanzug wäre, während sie sich aufgrund der Hitze stets von Handschuhen und Skianzug befreien will. Als Alex wenig später auf dem Asphalt liegen bleibt, geht sie ohne Skianzug und auf Socken weiter bis zum eingezäunten, bewachten Lager der radioaktiven Abfälle. Dorthin, wo die Journalistin Kinder gesehen hat, die über den Atommüllfässern Frösche gebraten haben.

    Über eidgenössischem Endlager: Francesca Tappa
    (Frau aus dem Hubschrauber)
    Die Skitouristin redet in einem eigentümlich künstlichen Ton, wie somnambul, ihr merkwürdig theatralischer Singsang unterstreicht etwas aufdringlich ihre Weltfremdheit. Dieses Mittel fand schon in der Uraufführung des Theaterstücks ein geteiltes Echo bei den Kritikern. Dass es auch hier im Hörspiel zum Einsatz kommt, erklärt sich gewiss daraus, dass sich der Hörspielregisseur Reto Ott stark an der Theaterinszenierung ( Theater Marie , in Koproduktion
mit drei weiteren Theatern) orientiert hat. Er kürzte das Stück zwar um knapp die Hälfte, besetzte die Rollen aber mit denselben Schauspielern!
    Ungewöhnlich und auch gewöhnungsbedürftig ist, dass wir es in diesem Hörspiel mit vier monologisierenden Personen zu tun haben, die nie in Kontakt miteinander treten, das auch nicht können, da sie nie zur selben Zeit am selben Ort sind. Dennoch scheinen sie bisweilen aufeinander zu

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