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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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erfahrbar zu machen.
    Die Mitglieder der Widerstandsgruppe haben ein originelles Konzept entwickelt, die staatliche Propagandaflut, welche sich täglich in Form von patriotischen Ansprachen und Liedern über die Bevölkerung ergießt, mit eigenen Botschaften zu konterkarieren. Sie hacken sich in die offiziellen Datenbanken ein, verändern das dort vorgefundene Informationsmaterial, um eine Systemveränderung herbeizuführen. Erste Erfolge können sie bereits verbuchen. Typische Sonntagsreden von Politikern wurden durch infiltrierten Fremdtext ins Gegenteil verkehrt und der Lächerlichkeit preisgegeben. Optimismus verbreitende Lieder wurden durch enervierende Störsignale oder subversive Texte ersetzt. Sehr ambitioniert, sehr kreativ, doch letztlich nicht mehr als lästige Nadelstiche.
    Die Organe der Staatsmacht sehen das leider anders. Sie ahnen, dass das Übel an der Wurzel ausgerissen werden muss, ehe sich aus diesen versprengten Einzelkämpfern eine Massenbewegung bilden kann. Die Schwäche einer jeden Diktatur besteht darin, dass die Herrschenden selbst natürlich am besten wissen, dass ihre Intentionen gegen die Bevölkerung gerichtet sind und nichts anderem als dem Erhalt des Status quo dienen – der Humus, auf dem paranoides Bewusstsein und die Angst vor Machtverlust gedeihen. Doch je straffer die Zügel gespannt werden und je mehr Misstrauen der eigenen Bevölkerung entgegengebracht wird, desto stärker regt sich der latente Widerstand im Volk. Druck erzeugt
nun einmal Gegendruck und früher oder später kommt es zum Ausbruch.
    Davon ist die konspirative Gruppe in diesem Hörspiel jedoch noch weit entfernt; vorerst handelt es sich um eine langfristige Zielsetzung mit höchst ungewissem Ausgang. Die kurzen Mitteilungen auf den Anrufbeantwortern spiegeln die Isoliertheit der einzelnen Mitglieder, die den Kontakt zueinander so spärlich wie möglich halten müssen, um nur ja keinen Verdacht zu erregen. Wer kann garantieren, dass sie nicht ohnehin längst in den Fokus des Geheimdiensts geraten sind? Ein paarmal schon sind sie beinahe aufgeflogen. Da schlägt die eigene Phantasie oft wilde Kapriolen, und je stärker sich fiktive Einsatzszenarien zu potenziellen Fehlerfallen verdichten, desto weniger sind einzelne Mitglieder bereit, vermeidbare persönliche Risiken auf sich zu nehmen. Auch die unterschiedlichen Charaktere der Gruppenmitglieder erweisen sich zuletzt als Handicap mit Folgen. Weil es wegen der permanenten Überwachung riskant ist, über das Telefonnetz zu kommunizieren oder gar persönliche Kontakte zu pflegen, arbeiten sie zumeist autonom und auf eigene Faust. Die mangelhafte Abstimmung ihrer Aktivitäten bringt schon bald einige in Gefahr. Doch dann geht eine von ihnen in der gewiss gut gemeinten Absicht, die finanzielle Situation der Gruppe zu verbessern, einem vermeintlichen Gönner, der in Wahrheit ein Spitzel ist, auf den Leim und offenbart ihm ihre wahre Identität. Verzweifelte Versuche, das Unglück ungeschehen zu machen, scheitern. Nun tritt das ein, was schon im Titel angedeutet wird: Die Erdbeeren sind reif, gepflückt zu werden …
    In der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung zwischen staatlicher Willkür und Konzernmacht auf der einen und engagiertem subversivem Widerstand auf der anderen Seite gilt die Sympathie der Hörer natürlich denen, die hohe Risiken eingehen, um persönliche Freiheiten vor dem Zugriff staatlicher Zwangsbeglückung zu verteidigen. Über mehr Skepsis und kritische Reflexion all dessen, was uns heute immer öfter als segensreich und unverzichtbar verkauft wird, sollten auch wir nachdenken.
    Die Produktion bietet ein originelles Grundkonzept, die Dramaturgie verdichtet die Kurzmitteilungen auf den Anrufbeantwortern
zum Schreckensszenario einer totalen Vereinnahmung jedes Individuums. Die Sprecher, welche die nervliche Anspannung ihrer Figuren fast greifbar vermitteln und aus den knapp formulierten Texten selbst unterschwellige Nuancen herausholen, haben großen Anteil an dem gelungenen Hörspiel. Über die genremäßige Zuordnung zur Science Fiction lässt sich natürlich trefflich streiten. Realität und Fiktion gehen oft fließend ineinander über, und immer wieder, so auch hier, scheint die Fiktion von der Realität schon fast eingeholt.
    Helmut Magnana
     
     
    Der Besucher betritt einen spärlich beleuchteten Raum. In dem Halbdunkel zeichnen sich fünf Lichtinseln ab. Fünf Tische, von kleinen Leuchten erhellt, ziehen die Blicke auf sich. Auf ihnen,

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