Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

von ethischen und moralischen Grundsätzen unbeeinflusste Weiterentwicklung von Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst betreiben. Diese Vision basiert direkt auf dem libertären Gesellschaftsmodell der amerikanischen Autorin Ayn Rand, welches unter anderem die ideologische Grundlage des heutigen Neoliberalismus in sich trägt. Der Einfluss des Staates soll sich auf nur sehr wenige strukturelle Aufgaben wie Aufrechterhaltung der Ordnung und die Einhaltung von Gesetzen beschränken. Soziale Sicherungssysteme werden dagegen abgelehnt, da diese einen Eingriff in den freien Markt bedeuten. Die Kernthese: Der freie Markt wird sich durch seine behaupteten natürlichen Gesetzmäßigkeiten für alle als Segen erweisen. Jeder Eingriff in den Markt etwa durch Steuerabgaben, Subventionen oder ethische Vorbehalte wird abgelehnt. Der Glaube an den Markt wird zur Religion, oder anders ausgedrückt: zu einer Art wirtschaftspolitischem Fundamentalismus.
    Rapture erinnert optisch ein wenig an eine real gewordene Science-Fiction-Vision Jules Vernes und ist architektonisch und gestalterisch im Art-déco-Stil der Dreißigerjahre gehalten. Doch statt eines strahlenden Utopias betritt der Spieler eine bizarre Alptraumwelt, in der ihm grotesk deformierte Kreaturen gegenübertreten, die einmal Menschen waren. Im Verlauf der Handlung erhält der Spieler immer mehr Informationen über die Ursachen, die zu diesen seltsamen und erschreckenden Mutationen geführt haben: Irgendwann
entdeckten die Wissenschaftler von Rapture eine ungewöhnliche Substanz, die sie ADAM tauften. ADAM besitzt geradezu sensationelle Eigenschaften: Es verändert den genetischen Bauplan des Körper derartig, dass der Alterungsprozess zum Erliegen kommt und ausgefallene biologische Veränderungen möglich sind. Um die genetischen Modifikationen nutzen zu können, benötigt man mit EVE jedoch noch eine weitere Substanz. Die Nebenwirkungen dieser Substanzen sind allerdings gravierend. EVE und ADAM führen zu extremer Abhängigkeit, und die Wirkung von ADAM ist nur durch regelmäßige Einnahme von EVE zu gewährleisten. Da ADAM und EVE nur in begrenzten Mengen vorliegen, sind die Folgen katastrophal. Die abgeschirmte Enklave wird zur Kampfzone, in der nur der Skrupellosere oder Stärkere überlebt.
    Bioshock
    Die Hintergrundgeschichte von Bioshock erschließt sich überwiegend durch das Abhören diverser Tonbandaufzeichnungen und eingehender Funknachrichten. Beim Betreten von Rapture
wird Jack von dem Rapture-Bewohner Atlas per Funk kontaktiert. Atlas bittet ihn, seine Familie zu retten. Jack erfährt, dass in Rapture die ADAM-abhängigen Bewohner einen furchtbaren Krieg gegeneinander führen. Eigentlicher Auslöser dieser Konflikte ist der Konkurrenzkampf von Andrew Ryan (dem Gründer von Rapture) und der gegen Ryan aufbegehrende Industrielle Frank Fontaine.
    Der Spieler durchstreift während seines Abenteuers die unterschiedlichen Ebenen Raptures und erledigt dabei (meist angeleitet durch Atlas) die verschiedensten Aufgaben. Bioshock erweist sich dabei als recht brutal und hart inszeniertes Action-Adventure mit einem Hang zum Bizarren. Im Laufe der Handlung gerät Jack mit Andrew Ryan und zum Schluss auch mit Atlas in direkten Kontakt. In der Spielsequenz mit Ryan erfährt Jack, dass er Ryans Sohn ist. Atlas entpuppt sich dagegen als der totgeglaubte Frank Fontaine. Es kommt zum finalen Endkampf.
    In Bioshock erweist sich das von Ayn Rand propagierte Gesellschaftsmodell als gescheitert und in letzter Konsequenz als selbstzerstörerisch. Wie schon in den von Warren Spector produzierten Spielreihen Deus Ex , Thief oder System Shock verschmelzen auch in Bioshock mehrere Spielegenre miteinander. Bioshock ließe sich noch am ehesten als Action-Adventure mit Rollenspielelementen definieren. Die grafisch eindrucksvoll in Szene gesetzte Unterwasserwelt beeindruckt durch die phantastisch eingefangene Dreißigerjahre-Architektur und eindrucksvolle Wasser-, Licht- und Explosionseffekte. Auch die düstere Hintergrundgeschichte ist spannend erzählt und begeistert durch unverbrauchte Ideen und einen perfekt inszenierten Spannungsbogen.
    Bioshock 2 schickt den Spieler erneut in die düstere und bizarre Unterwasserwelt von Rapture. Inzwischen sind acht Jahre vergangen, doch in den Gängen der Unterwasserstadt herrscht immer noch Krieg. Man schlüpft als Spieler in den altmodischen Taucheranzug eines Big Daddy mit dem Namen Delta und macht sich auf die Suche nach »seiner« Little Sister