Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

existiert nur als Projektion, sie ist eine Kunstfigur, ebenso wie die Genki Rockets eine Kunstband sind, die keine realen Mitglieder hat. Die Genki Rockets sind vielmehr von Mizuguchi und seinem Partner Kenji Tamai erdacht worden.
    Am ehesten vergleichbar sind die Genki Rockets mit den Gorillaz, der Comicband des Blur-Sängers Damon Albarn, die zwar echte Mitglieder hat, die sich aber ebenfalls hinter Kunstfiguren verstecken. Genauso wenig wie Albarn bei den Gorillaz zu sehen ist, sind es Tamai und Mizuguchi. Lumi ist das Gesicht der Band, die Band selbst kommt aus der Zukunft und macht eine Sci-Fi-Hippie-Vision von Popmusik, eingängig und naiv zugleich. Lumi ist ein achtzehnjähriges Mädchen, der erste Mensch, der nicht auf der Erde geboren wurde, sondern im Weltall, genauer gesagt am 11. September
2019 auf der Internationalen Raumstation. Seitdem hat sie keinen Fuß auf die Erde gesetzt. Für Mizuguchi verkörpert sie eine arglose Reinheit, ein Wesen, das auf Verständigung aus ist, auf Frieden. Von daher ist auch ihr Geburtstag nicht zufällig gewählt. Achtzehn Jahre nach dem Anschlag auf das World Trade Centre in New York ist es Zeit, den Kampf und die Angst zu vergessen und der Menschheit ein Zeichen zu senden. Lumi wird zu einer Art Botschafterin des Guten und der Liebe. Zugleich macht sie Musik, die für viele wahrscheinlich nur schwer zu ertragen ist: Sie ist irgendwo zwischen den House-Hymnen der Street Parade, Japan-Pop und Hippie-Gedanken angesiedelt und könnte sowohl zauberhaft naiv als auch gnadenlos kitschig genannt werden. Zwei Alben hat die Band bisher produziert: Heavenly Star und No Border Between Us . Immer wieder gibt sie Konzerte, die in ihrer 3D-Inszenierung ein wahres Fest für die Sinne sind: Lumi als Projektion, die beiden Produzenten im Hintergrund, Mizuguchi oft auch im Publikum. »Ich genieße es, die Wirkung der Musik zu spüren, den Bass, die Euphorie, den Spaß«, sagt er. Musikalisch kann er sowieso nichts beitragen, denn die Auftritte sind streng choreografiert. Auch während der Fertigstellung von Child of Eden macht er Musik. Bis tief in die Nacht hinein arbeitet er, feilt an Texten, mischt die Musik, um tagsüber weiter am Spiel zu werkeln. An einem Spiel, in dem alles zusammenwächst, was er bis jetzt geschaffen hat. Der Katalysator ist die Kinect-Kamera.
    Lumi, Frontfrau der Genki Rockets, im Introfilm zu Child of Eden
    »Sie ist einfach perfekt für das Spiel«, sagt Mizuguchi über die Kinect-Kamera. Child of Eden lässt sich viel besser wahrnehmen, wenn man nichts in den Händen hält und das Spiel quasi dirigiert. Wenn man merkt, wie verschiedene Handbewegungen verschiedene Soundeffekte auslösen, wie Musik und Bild auf Gesten reagieren. Auf diese Weise wirkt es viel unmittelbarer als mit einem herkömmlichen Controller. Und natürlich erkennt auch Mizuguchi das Potenzial, das in Kinect schlummert, auch wenn es von vielen schlechten und uninspirierten Spielen überdeckt wird. Es ist ein Schritt zum Star-Trek -Holodeck, wenn Spieler sich auf einmal frei im Raum bewegen können. Als Nächstes müsste noch die Spielwelt holografisch abgebildet werden. So wie er es mit Al Gore gemacht hat und mit Lumi immer noch tut. Aber das ist noch immer Zukunftsmusik, viel zu teuer und aufwendig für ein Gerät, das man zu Hause stehen hat.
    Lumi ist nicht nur Sängerin der Genki Rockets, sondern auch Protagonistin von Child of Eden . Die Musik stammt komplett von ihrer Band, das Eden im Titel bezieht sich auf den Computer aus Rez , der ja Eden heißt. In diesem Spiel führt Mizuguchi seine Projekte zusammen. Folgt man seiner Mythologie, dann ist Child of Eden die Vorgeschichte zu Rez . Lumi, so der Ausgangspunkt des Spiels, ist krank, ein Virus hat sie und den Zentralcomputer Eden befallen und macht sich daran, die Archive der Menschheit zu löschen. Glaube, Liebe oder Hoffnung heißen sie. Sie müssen gesäubert werden, damit auch Lumi geheilt werden kann. Sonst wird es ihr für immer verwehrt bleiben, die Erde zu betreten. Das nämlich hätte in ihrem augenblicklichen Zustand ihren Tod zur Folge.
    Was folgt, ist vom Spielprinzip her Rez sehr ähnlich, treibt es aber viel weiter. Wieder wird der Spieler wie auf Schienen durch die Level geführt. Wo bei Rez noch eine gitternetzartige Figur als Protagonist diente, ist es hier nur noch eine Zielhilfe, mit der man die Gegner anvisiert und abschießt. Oder wie Mizuguchi es nennt: reinigt. Er vermeidet martialische Ausdrücke, will