Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
Vom Netzwerk:
Mézières, Schöpfer der Serie Valerian und Veronique . Beider Wege sollten sich dann aber erst 42 Jahre später wieder kreuzen,
als sie für Luc Bessons Film Das fünfte Element gemeinsam die Dekors entwarfen. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn Jean Giraud mit Mézières ein frühes Alter Ego gehabt hätte? Moebius hätte dann wohl nie existiert.
     
    So aber fand Giraud nur seinen ersten Meister, dem viele weitere folgen sollten: Jijé lehrte ihn das Zeichnen, Jean-Michel Charlier das Erzählen, Alejandro Jodorowsky die Mystik, Jean-Paul Appel-Guéry den Glauben und Guy-Claude Burger die alternative Ernährung. Moebius selbst entwickelte sich zum Größten von ihnen allen, doch er blieb ständig auf der Suche nach sich selbst, und deshalb setzte er paradoxerweise auf andere. Nur sein Publikum erkannte die Meisterschaft von Moebius jeweils sofort. Zuerst, als er unter seinem bürgerlichen Namen die Westernserie Blueberry zeichnete. Und später, als er als Moebius auftrat, unter jenem Pseudonym also, das die Lust an der Unendlichkeit und am Wechselspiel ausdrückte.
    Bekannt wurde er als Moebius erst in den Siebzigerjahren, aber der Name ist viel älter. Als Jean Giraud 1963 für das Pariser Satiremagazin Hara-Kiri zu zeichnen begann, wählte er einen Nom de plume, einen »Federnamen«, wie es unter französischen Karikaturisten seit dem 19. Jahrhundert üblich
war. Im Lexikon war Giraud dem deutschen Astronomen und Mathematiker August Ferdinand Möbius begegnet, dem Schöpfer des Möbiusbandes. Dessen Verschlingung zu einem Unendlichkeitszeichen, das durch die Verdrehung des Bandes eine immerwährende Bewegung auf beiden Seiten seiner Oberfläche gestattet, ohne je den Rand zu überschreiten, faszinierte den jungen Zeichner. Fortan bestand sein ästhetisches wie psychologisches Ideal im Nachvollzug just dieses Phänomens: die verschiedenen Seiten eines Künstlers in einer einzigen Bewegung zu erfassen, die das gesamte Potenzial seiner verschiedenen Begabungen nutzt. Jean Giraud nahm den Namen Moebius an und verdrängte damit seinen deutschen Vorgänger aus den Lexika.
    Dass der frühere Möbius ein Astronom war, begeisterte den späteren Moebius. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr war Jean Giraud durch Vermittlung seines Vaters, der ihn nicht viel, aber Genrelektüre gelehrt hatte, ein begeisterter Leser von Science-Fiction-Heften geworden. Und doch wurde er zunächst als Westernzeichner berühmt: mit Blueberry , dem mehr als vierzig Bände umfassenden Zyklus um die Abenteuer eines Soldaten der amerikanischen Armee kurz nach dem Bürgerkrieg. Jean-Michel Charlier hatte 1963 im Auftrag von René Goscinny für das von diesem redaktionell geleitete Comicmagazin Pilote ein Szenario entworfen, das in Arizona angesiedelt war, nahe der mexikanischen Grenze. Nicht eine einzelne Figur, sondern ein Ort, das Fort Navajo, war als Fixpunkt der geplanten Serie gedacht. Doch der damals fünfundzwanzigjährige Jean Giraud, der erstmals als Zeichner einer großen Geschichte engagiert worden war und aus Stolz darüber das erst seit wenigen Monaten genutzte Pseudonym Moebius wieder aufgegeben hatte und Blueberry mit seinem bürgerlichen Namen signierte, fand in der amerikanischen Wüstenszenerie seine persönliche
Traumlandschaft und in der rebellischen Figur des Leutnants Blueberry, den er nach dem Vorbild von Jean-Paul Belmondo gestaltete, sein Charakterideal. Ohne dass der Veteran Charlier es anfangs bemerkt hätte, kaperte der Debütant den Stoff und fokussierte ihn so sehr auf Blueberry, dass schon die zweite Geschichte den Namen des Leutnants als Serientitel auswies – und dabei sollte es vier Jahrzehnte lang bleiben.
    Man kann sich kaum etwas vorstellen, das weiter von Science Fiction entfernt gewesen wäre als Blueberry . Die Serie machte vielmehr durch ihren Realismus Furore. Ihre Hauptfigur alterte – ein im Comic höchst seltener erzählerischer Kunstgriff –, und Jean Giraud legte als Zeichner im Laufe der Jahre immer mehr Wert auf minutiöse Dekors, die detailreich und akribisch die flirrende Atmosphäre der Wüste vermitteln wollten. Doch über die Suche nach entsprechenden grafischen Stimmungsphänomenen wie Licht und Schatten entwickelte Jean Giraud allmählich einen Stil, der sich vom Realismus seines Lehrers Jijé löste und in eine Linienführung mündete, die der partiellen Abstraktion folgte, die Hergé, der belgische Gründervater des europäischen Comics, in seiner Serie Tim und Struppi etabliert hatte:

Weitere Kostenlose Bücher