Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
talentierte Filmemacher bieten, besonders, wenn man den Faktor Filmon-Demand im Auge behält, nachdem legale, kostenpflichtige Film- und Serienportale im Web selbst hierzulande immer stärker im Kommen sind. Die Internet-Community würde es sich wohl auch gefallen lassen, Herzensprojekte zu finanzieren, die man später nur direkt fürs opulente Heimkino-Erlebnis herunterladen und nicht auf der großen Leinwand in den Kinokomplexen sehen kann.
Nichtsdestotrotz, am Ende dürften James Cameron, Ridley Scott und die üblichen Verdächtigen der Sache und dem Hype ganz schnell zumindest den PR-Wind und den Fokus nehmen, von denen Iron Sky besonders Anfang 2012 zweifellos stark profitiert hat. Und irgendwann ist auch mit dem
exzessiven Trashfaktor, der dem Budget zweifellos entgegengekommen ist, nichts mehr zu holen. Irgendwann genügt es einfach nicht mehr, nur mit der Brechstange für Lacher zu sorgen und gute Computereffekte zu bieten. Dauerhafter oder wirklich revolutionärer Erfolg der Produktionen unter zehn Millionen Dollar, die teilweise im Internet aufgetrieben werden, scheint damit im Moment jedenfalls nur schwer vorstellbar – und definitiv mit einem Verfallsdatum behaftet.
Aber ähnlich pessimistisch hätte man sich vor ein paar Jahren auch zu einem über das Internet mitfinanzierten Science-Fiction-Edel-Trash-Film aus der zweiten Reihe und ferner aus Finnland, Australien und Deutschland geäußert, in dem die Nazis in naher Zukunft vom Mond aus wieder mal die Weltherrschaft anpeilen. Oder?
Links
Offizielle Homepage: www.ironsky.net
Trailer und die ersten fünf Minuten des Films: www.ironsky.net/site/index.php?s=trailer
Iron Sky auf Facebook: www.facebook.com/ironsky
Christian Endres, freier Autor und Comic-Redakteur, schreibt regelmäßig über Filme, Comics und andere popkulturelle Themen.
»Zieh diese Brille auf, ich reiche dir dann Kopfhörer und Gamepad.« Die Augen von John Carmack leuchten voller Aufregung, als er mir eine aus Skibrille, losen Kabeln und Klebeband zusammengebastelte Brille reicht. Vorsichtig justiert er sie an meinem Kopf, ich höre ihn etwas auf dem Keyboard tippen. Dann setzt er mir den Kopfhörer auf – und ich betrete eine neue Welt. Bin auf einmal in Doom 3 , bewege den Kopf, um hinter Säulen zu schauen, trete einen Schritt zurück, wenn Monster aus dem Schrank hüpfen, und ziele mit dem Gewehr, indem ich meine Nase auf die Gegner richte. Es ist überwältigend. Zum ersten Mal befinde ich mich wirklich in einem Spiel, kann mich nahezu frei darin bewegen. John Carmack hat den Ego-Shooter neu erfunden. Mal wieder. Wie vor zwanzig Jahren.
Da hat die Geschichte angefangen – mit einem Gewehr. Ein Plastikgewehr für 99 Cent, hergestellt in China, erstanden in einem Spielzeugladen. Heute liegt das Gewehr unauffällig in einer großen Vitrine, wird überstrahlt von Trophäen, Auszeichnungen, Spieleverpackungen. Doch mit diesem kleinen Stück Plastik hat alles begonnen. Es ist das Gewehr, das den Siegeszug eines neuen Videospielgenres
begründet hat. Es ist das Gewehr aus Doom , dem Urvater aller Ego-Shooter, dem Titel, ohne den die moderne Spielewelt anders aussehen würde. Komplett anders. Das Gewehr, mit dem unzählige Spieler auf den Marsmonden Horden von Dämonen erschossen haben. Das Gewehr, mit dem id Software und John Carmack berühmt wurden, mit dem sie die Zukunft der Videospiele erfunden haben. Das Gewehr, auf das Millionen von Spielern geschaut haben, während sie durch die Level von Doom gelaufen sind. Es ist ein albernes und zugleich erhabenes Gefühl, dieses Stück Geschichte in der Hand zu halten und damit auf den Empfangstresen von id Software in Dallas zu zielen. Dahinter wird gleich John Carmack auftauchen. Der Mann, der aus dem Gewehr einen Star gemacht hat, gemeinsam mit seinem langjährigen Kollegen John Romero. Die zwei Johns, wie sie lange hießen, zwei Nerds, die eine beispiellose Karriere hinlegten. Zwei Menschen, die Videospiele in die Zukunft katapultierten, erst übermächtig, dann überheblich wurden und sich dann wieder auf ihre Grundlagen besannen. Einer erfolgreich, der andere nicht.
John Carmack
Die zwei Johns
»Ich bin nicht sentimental«, sagt John Carmack, als er über das zwanzigjährige Jubiläum seiner Firma befragt wird. Er trägt kurze Hosen und T-Shirt und sieht mit seinen vierzig Jahren immer noch aus, als müsste er beim Kauf von Alkohol seinen Ausweis vorlegen. Ein großer Junge mit kurzen blonden Haaren und interessierten,
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