Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
frühen Heimcomputer sind, desto mehr Menschen werden sie zu Hause stehen haben und darauf nicht nur arbeiten, sondern auch spielen wollen. Romero soll dafür sorgen, dass Gamer’s Edge an dieser Front führend wird.
Gamer’s Edge gehört zu Softdisk, einer Firma, die sich darauf spezialisiert hat, Magazine mit Disketten voller Programme für verschiedene Computer zu veröffentlichen. Am erfolgreichsten ist sie mit einem Heft für den Apple II, den damals populärsten Heimcomputer. Doch Al Vekovius, der Gründer von Softdisk, spürt, dass sich die Themen ändern müssen, weil sich auch die Nutzer ändern. Apple gerät ins Hintertreffen, den PCs gehört die Zukunft. Deshalb holt er John Romero und gibt ihm nahezu freie Hand. Während anderen Abteilungen eine ruhige Arbeitsatmosphäre verordnet wird, hören die Spieleentwickler laut Heavy Metal, haben einen Kühlschrank im Büro und immer die neuesten Rechner. Was bei Kollegen von anderen Publikationen für Neid sorgt, macht Gamer’s Edge für einen Eigenbrötler erst recht interessant. Softdisk lädt John Carmack zu einem Gespräch
ein, die Arbeit des jungen Programmierers hat Aufmerksamkeit erregt. Eigentlich ist Carmack fest entschlossen, unabhängig zu bleiben; er nimmt die Einladung nur an, um eine längere Spritztour unternehmen zu können. Doch mit dieser Entschlossenheit ist es vorbei, als er Romero begegnet. Augenzeugen beschreiben das Treffen der beiden als magischen Moment, als eine Art Liebe auf den ersten Blick, allerdings übersetzt auf Programmierer. Stundenlang reden sie: über Programmierprobleme, über Heavy Metal, über Comics. Zwei verwandte Seelen, die sich endlich gefunden haben. Der Rockstar Romero und der Super-Nerd Carmack. Sie sind sich sofort einig, dass sie die Zukunft der Videospiele verändern werden. Und sie werden recht behalten.
Shreveport ist die drittgrößte Stadt Louisianas, anders als New Orleans im Hinterland versteckt, unweit der Grenze zu Texas und Arkansas. Sie liegt an einem großen See, und direkt an diesem See stand ein Haus, in dem die beiden Johns wohnten und schließlich arbeiteten. Erst mit Computern, die sie heimlich bei Softdisk ausborgen und übers Wochenende mitnehmen, später dann mit ihren eigenen. Später heißt: Als sie ihre eigenen Spiele veröffentlichen, die sie auf dem Equipment von Softdisk erstellt haben. Später heißt dann auch: Als Al Vekovius herausfindet, dass er hintergangen worden ist. Erst droht er ihnen mit Prozessen, doch schließlich einigen sie sich auf andere Art: Romero und Carmack machen noch einige Spiele für Gamer’s Edge . Die für Vekovius beste Lösung, denn andernfalls könnte er Gamer’s Edge gleich einstellen. Die beiden Johns haben zwei ihrer Kollegen mitgenommen, um sich selbstständig zu machen: den Spieledesigner und Erzähler Tom Hall sowie Adrian Carmack, einen jungen Grafiker (der mit John Carmack übrigens nicht verwandt ist). Gemeinsam gründen sie am 1. Februar 1991 eine Firma, die sie id Software nennen. Die Herkunft
des Namens ist strittig. Vielleicht auch, weil jeder der Gründer eine andere Idee dazu hat. Romero sieht darin eine Kurzversion seines ersten Firmennamens »Ideas from the Deep«, John Carmack nennt als Langform »in Demand«, also »gefragt«, und Tom Hall favorisiert den Freud’schen Begriff vom Id als Es. Auf der Firmenhomepage von heute hat sich Halls Deutung durchgesetzt; sie ist angemessen mystisch für eine Firma, deren Spiele von Raumschiffen, Außerirdischen und Dämonen handeln.
Weltraumkapitäne und Monster
Eine der ersten Großtaten von John Carmack ist eine Kopie: Dangerous Dave in Copyright Infringement . Dangerous Dave ist eine Erfindung von Tom Hall, und der Copyright-Verstoß besteht darin, dass Carmack Super Mario Bros. 3 am PC nachbaut, Pixel für Pixel. Was aus heutiger Sicht unspektakulär klingt, ist damals eine kleine Sensation. Denn eigentlich dürfte der PC so etwas gar nicht hinbekommen. Er ist weder für bunte Grafik und noch weniger für das seitliche Hin- und Herwandern des Hintergrunds ausgelegt. Genau das aber zeichnet Super Mario Bros. 3 aus. Carmack hat herausgefunden, wie sich die Limitationen umgehen lassen. Oder wie er heute sagt: »Die meiste Zeit habe ich damit verbracht, zu verschleiern, dass etwas nicht möglich ist.« Und es damit möglich gemacht. Es zeugt von gesundem Selbstbewusstsein, dass Carmack und Romero diesen Nachbau an Nintendo schicken, um dafür zu werben, Mario auch auf dem PC hüpfen zu lassen.
Weitere Kostenlose Bücher