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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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längst realisieren, ist eine Art Koevolution, die im Rahmen der Gesetze stattfindet.
     
    Ich trinke einen Schluck Wasser und denke über die nächste Frage nach. Das Interessante an Klaus Mainzer ist, dass er über den Tellerrand seiner Disziplin hinausblickt und sich für alles Mögliche interessiert. Er hat nicht nur Bücher über Informatik und Künstliche Intelligenz geschrieben, sondern auch über das Phänomen Zeit, über Materie, Gehirne und Komplexität (siehe Literaturliste im Anhang). Das ermöglicht ihm ein hohes Maß an gedanklicher Vernetzung und das Erkennen paralleler, sich beeinflussender Entwicklungen – aus denen sich sowohl Risiken als auch Chancen ergeben.
     
    F: Glauben Sie, dass die Entwicklung der Biophysik schneller vorangehen wird als die der Informatik? Dass wir also eigentlich gar nicht mehr den Umweg über Chips, Bits und Bytes machen müssten, um künstliche Intelligenz und maßgeschneidertes, dem Menschen vergleichbares künstliches Leben zu entwickeln?
    A: Nach meiner Auffassung sehe ich zwei entscheidende Stränge, die sich möglicherweise bald vereinigen werden. Das eine ist die Digitaltechnik, das andere ist die beschriebene biologische Technik. Bei Letzterem haben wir erst begonnen, »bottom up«-Zellen zu entwickeln, bei Ersterem gibt es bereits unsere Superrechner. Beides wird sich verbinden. Die Computertechnik wird dadurch keineswegs obsolet,
ganz im Gegenteil: Ich glaube sogar, durch sie ist es uns Menschen gelungen, etwas in die Welt zu bringen, das es bisher noch nicht gab: diese ungeheure Rechenpower. Wenn wir uns ansehen, wie wir uns bewegen: hochelegant. Was die Evolution da geschafft hat. Es ist im Verlauf von Jahrmillionen entstanden. Wir können es im Prinzip sogar beschreiben, durch Lernalgorithmen, durch Adaptionsverfahren. Eine ungeheure Vielzahl von Möglichkeiten, die hier in ökologischen Nischen ausgebaut wurden. Wo auch viele Versuche der Natur fehlschlugen, wo aber etwas wie der hochelegante menschliche Bewegungsapparat übrig blieb. Das sage ich vor dem Hintergrund der Robotik. Diese arbeitet mit sehr massiven Robotern, was eines unserer großen Probleme ist: Die Beine eines Roboters sind massive Teile, und in den Gelenken sitzen kleine Elektromotoren – sehr effizient, aber hoch aufwendig. Schauen Sie sich ein menschliches Bein an: die Knochen, das Gewebe, das ist ein Wunderwerk. Dieses leichte Material. Die Elastizität. Kein Vergleich mit der heutigen Robotik. Doch in der Technik setzen wir auf etwas anderes: auf unsere Rechenpower. Wir können mit großem Aufwand an Rechentechnik einen humanoiden Roboter so steuern, dass er sich »menschlich« bewegt.
    F: Da fällt mir der Roboter ASIMO ein, der ja sogar Treppen steigen kann.
    A: Genau. Menschliche Bewegung läuft jedoch völlig anders ab. Sie ist nicht von Algorithmen gesteuert. Es gibt sozusagen keinen Hochleistungsrechner, der in Echtzeit den Gleichgewichtszeitpunkt ausrechnet, um das System daran zu adaptieren. Es gibt ja den berühmten Ausspruch von Rudolf Virchow, der im 19. Jahrhundert sagte: »Jetzt habe ich schon so viele menschliche Gebeine untersucht, und noch immer keine Seele gefunden.« Wir könnten heute sagen: »Ich habe so und so viele Leichen obduziert und noch immer keinen
Rechner darin gefunden.« (Lacht) Was wir finden, sind sehr komplexe Sehnen und Muskeln. Wenn wir uns beispielsweise die einfache Bewegung einer Stabheuschrecke ansehen: Da sitzt nicht irgendwo ein Zentralrechner, der die Beine koordiniert, sondern das geschieht völlig dezentral vor Ort. Die einzelnen Beine sind so weit aufeinander lokal abgestimmt, ohne Zentrale, dass, wenn ein Bein etwa blockiert ist, ein anderes Bein darauf reagiert. Der Nachteil für uns ist, dass die Biologie mit weniger Aufwand, also Rechentechnik, mehr erreicht hat. Aber die evolutionäre Erfahrung, die hier reingepackt wurde, ist hoch aufwendig, hoch raffi1niert – das haben wir, auch in der Medizin, erst rudimentär durchschaut. Und da fällt mir wieder Leibniz ein. Er bestand auf dem Unterschied zwischen »natürlich« und »künstlich« und sagte: In diesen natürlichen Automaten stecken wieder kleinere Automaten, und in denen wieder kleinere Automaten. Denn zu seiner Zeit wurde das Mikroskop erfunden, und er war fasziniert etwa von Kleinstlebewesen, die er in Körperflüssigkeiten entdeckte. Darin vermutete er wieder noch kleinere Lebewesen und so weiter wie bei russischen Puppen. Im Unterschied zu den Automaten seiner Zeit, die

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