Heyne Galaxy 05
Einschränkung dessen, was man mit Ewigkeit bezeichnete? Wie kam es, daß Sol Graves mehr Behandlungen mitmachen mußte als die anderen?
Und was war mit ihm selbst? Angenommen, die letzte Verjüngung war vollkommen negativ gewesen? Was war passiert?
Er schüttelte den Gedanken unwillig ab, konnte aber nicht verhindern, daß ihn die Furcht beschlich, die Furcht vor dem Alter und dem Tod, der dahinterstand.
Er sprang aus dem Bett und starrte in den Spiegel. Zehn Stunden waren nun seit der Behandlung vergangen. Erste Anzeichen eines Erfolges müßten sich eigentlich schon bemerkbar machen. Er fand nichts, war sich aber seiner Sache nicht so sicher.
Am anderen Morgen sah er auch nicht besser aus, aber er hatte in dieser Nacht nur wenig geschlafen. Seine Wangen waren hohl, und unter den Augen lagen dunkle Ringe. Er konnte keine neuen grauen Haare entdecken.
Er ging nicht in den Speisesaal, denn er wollte nicht, daß sie ihn neugierig ansahen. Ihm kam plötzlich der Gedanke, ob er nicht wieder heiraten sollte. Amanda würde bestimmt einwilligen. Sie hatte einmal angedeutet, daß sie gern mit ihm ausginge. Er erschrak, als er daran dachte, wie lange er nicht mehr mit einer Frau zusammengewesen war. Hatte er keine Lust dazu verspürt? Die Verjüngungsbehandlungen…? Zumindest in dieser Hinsicht waren sie erfolglos gewesen.
Aber das war ja alles Unsinn, sagte er sich. Er ließ sich Zeit, und kurz vor zehn Uhr stand er vor Dr. Cobbs Büro. Er war ganz ruhig und verspürte keine Furcht mehr. Sie hätte auch keinen Sinn. Ob Furcht oder nicht – das Ergebnis würde sich dadurch nicht ändern.
Dr. Cobb lächelte, wie gestern. Giles beobachtete ihn scharf, als er nach den Berichten griff. Das Lächeln verschwand plötzlich. Im Zimmer war diesmal keine Krankenschwester. Alle Türen waren geschlossen.
Giles schüttelte den Kopf. Er verstand kein Wort von dem, was der Arzt sagte, aber er wußte, daß sich alle Befürchtungen bewahrheiteten. Er fror plötzlich.
»Ich kenne die Wahrheit«, unterbrach er Dr. Cobb. »Fangen Sie schon an. Was ist mit der Verjüngung?«
Cobb seufzte, konnte aber seine Erleichterung nicht verbergen.
»Mißlungen.« Er legte die Hand auf die Berichte. »Völlig mißlungen«, fügte er dann hinzu.
»Ich dachte, das sei unmöglich.«
»Ich auch. Darum stellte ich Nachforschungen an. Sie sind leider nicht der erste Fall. Die ganze Nacht habe ich im Haupthospital verbracht und solange herumgefragt, bis ich die Männer fand, die Bescheid wußten. Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte es nicht getan. Das alles ist nicht nur für Sie ein Schock, Mr. Giles, sondern auch für mich.« Er sprach ganz leise, aber als er Giles' fragenden Blick sah, nahm er sich zusammen. Seine Stimme wurde wieder fester. »Um es zu vereinfachen – kein Gedächtnis ist perfekt, auch nicht das der Gehirnzellen. Jede Erinnerung wird mit der Zeit verschwommener, wenn sie nicht aufgefrischt wird. Der Effekt verstärkt sich immer mehr und gleicht, graphisch gesehen, einer asymptotischen Kurve. Je länger sie wird, desto tiefer fällt sie. Sie, Mr. Giles haben die Grenze überschritten.« Er wandte sich ab, legte den Bericht in eine Schublade und verschloß sie. »Ich bin nicht berechtigt, Ihnen das mitzuteilen. Hoffentlich verstehen Sie das. Es wird schwer genug sein, es eines Tages der Menschheit beizubringen. Vielleicht ist es Ihnen ein Trost zu wissen, daß Sie nicht allein sind. Wir leben länger als unsere Vorfahren, aber nur Jahrhunderte länger, keine Jahrtausende. Alle, nicht nur Sie.«
Es war kein Trost für Giles. Er nickte mechanisch.
»Ich werde alles für mich behalten, natürlich. Wie … wie lange habe ich noch?«
Cobb spreizte die Finger.
»Dreißig Jahre vielleicht. Aber keine Sorge, Sie werden sich bis zur letzten Minute wohl und gesund fühlen. Medizinisch haben wir alle Mittel, Sie von allen Krankheiten zu kurieren. Ihr Herz kann ebenso geheilt werden wie alle Ihre anderen Organe. Ihre physische Kondition ist besser als die Ihres Großvaters …«
»Und dann …«
Giles brachte das Wort nicht über seine Lippen. Es war ein Wort, das schon fast seine Bedeutung für die Menschheit verloren hatte. Er würde älter werden, und eines Tages würde er sterben.
Ein Unsterblicher wußte plötzlich, daß er sterben mußte. Die Jahre waren dahingeeilt, das nächste immer schneller als das vorangegangene. Und nun waren nur ein paar übriggeblieben.
Er reichte dem Arzt die Hand. »Danke, Doc.«
Und Giles meinte
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