Heyne Galaxy 06
Sie die Geldstücke in den dafür vorgesehenen Schlitz, bitte.«
Anson seufzte.
»Also gut, wenn es sein muß …«
Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück, öffnete die Schublade und entnahm ihr ein halbes Dutzend schimmernder Geldmünzen. Eine nach der anderen schob er sie in den Schlitz. Sie klickten ihren vorgeschriebenen Weg entlang und landeten schließlich mit einem dumpfen »Plob« irgendwo im Bauch des Roboters. Es hörte sich so an, als sei die heutige Mieteinziehung nicht ganz ohne Erfolg gewesen. Der Roboter mußte halb mit Geld angefüllt sein.
Einen Augenblick lang überlegte Dr. Anson, was wohl geschehen würde, wenn er den Roboter überwältigen und ihm das Geld abnehmen würde. Er war Mediziner, vor allen Dingen Psychiater. Von Robotern verstand er nicht viel. Aber sicherlich würde es ihm gelingen, den Geldbehälter zu lokalisieren und zu öffnen.
Aber das war ja undenkbar. Niemand hatte es bisher gewagt, einen Roboter zu berauben. Es wurde überhaupt nicht mehr gestohlen, und das war auch einer der Gründe, warum Dr. Anson seine Miete niemals pünktlich zahlen konnte.
Immerhin – heute hatte er gezahlt.
In der Brust des Kassierers glühten Lämpchen auf, Knöpfe wurden von unsichtbaren Händen eingedrückt und wieder losgelassen, dann schnarrte die metallische Stimme:
»Ihre Quittung, Sir.«
Ein rosafarbener Papierstreifen kam aus dem Mund des Roboters, fast wie eine Zunge. Anson nahm die Quittung.
»Danke.«
Die Brustplatte schloß sich, dann machte der Roboter kehrt und rollte aus dem Zimmer. Anson hörte, wie er sich draußen auf dem Korridor entfernte. Er schloß die Tür und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Soweit war alles gut gegangen, aber was würde geschehen, wenn der Roboter zu seinem Auftraggeber zurückkehrte? Der würde den Geldbehälter öffnen und Ansons Münzen entdecken. Da er ein Mensch war, würde ihm nicht verborgen bleiben, daß sie falsch waren.
Dr. Anson schüttelte sich. Soweit war es also mit ihm gekommen. Er, ein angesehener Psychiater, hatte ein Verbrechen begangen.
Eine Ironie des Schicksals, wenn man es recht bedachte. In einer Welt, in der es keine antisozialen Elemente oder Handlungen mehr gab, die der Hilfe des Psychiaters bedurft hätten, war gerade er es, der antisozial handeln mußte, um existieren zu können.
Vielleicht war es aber auch nur seine Kenntnis von der Natur des Verbrechens, die ihm das Abweichen von der Norm ermöglichte. Im Augenblick war er seine Sorgen los, aber sicher nicht lange. Ein paar Tage, dann kam alles heraus. Und dann …
Er schüttelte den Kopf und setzte sich hinter den Tisch. Falschgeld war erst der Anfang. Und was kam dann? Raub? Mord? Ein Verbrechen trieb ihn ins nächste. Wo würde das enden?
»Arzt, heile dich selbst«, murmelte er vor sich hin und warf der staubigen Couch in der Ecke einen düsteren Blick zu. Es hatte noch nie ein Patient auf ihr gelegen. Dabei hatte er bereits vor einem Jahr hier die Praxis eröffnet.
Es war ein Fehler gewesen, wußte er. Niemals hätte er auf seinen Vater hören sollen …
Das Visiphon summte, und der kleine Schirm wurde hell. Ein riesig erscheinendes Gesicht wurde darauf sichtbar. Der große Mund öffnete sich, und die Stimme klang wie ein Gewitter:
»Ich bin auf dem Weg nach oben, Doktor! Versuchen Sie ja nicht abzuhauen! Ich werde Ihnen mit bloßen Händen das Genick brechen!«
Lange Sekunden hockte Anson – unfähig sich zu rühren – in seinem Sessel. Dann aber begriff er endlich, was der Manager gesagt hatte.
»Gott sei Dank!« murmelte Anson dankbar und begann zu lächeln.
Das war viel zu schön, um wahr zu sein.
Nach so langer Zeit geschah es endlich wieder einmal, daß jemand die Nerven verlor. Eine geistig instabile Persönlichkeit, ein potentieller Mörder, war auf dem Weg zu ihm. Endlich bekam er einen Patienten! Natürlich nur dann, wenn es ihm gelang, den Mann zu behandeln, bevor dieser ihn umbrachte.
Er sprang auf und raste zum Bücherregal. Wo, zum Donnerwetter, waren denn die Unterlagen für den Rotschachtest? Ja, und das Porteus-Labyrinth …
Ohne anzuklopfen stürmte der Manager ins Zimmer. Anson sah auf, innerlich bereit, dem ersten Überfall mit berufsmäßiger Ruhe und Überlegenheit zu begegnen.
Aber der Manager lächelte freundlich.
»Tut mir leid, Doktor, daß ich Sie so anbrüllte. Ich glaube, ich muß mich bei Ihnen entschuldigen.«
»Was …?«
»Als ich das Falschgeld entdeckte, gingen mir für eine Sekunde die Nerven durch.
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