Heyne Galaxy 06
Aber nur für eine Sekunde. Sie wissen ja, wie das ist.«
»Ja, das weiß ich allerdings«, gab Anson eifrig zu. »Ich verstehe es auch sehr gut. Sie brauchen sich dessen nicht zu schämen. Wenn Sie vernünftig sind und mithelfen, wird es uns gemeinsam schon gelingen, die Wurzeln des Traumas aufzuspüren und zu beseitigen. Legen Sie sich also bitte dort auf die Couch und entspannen Sie sich …«
Das Lächeln auf dem roten Gesicht blieb, aber die Stimme wurde ein wenig unfreundlicher.
»Unsinn! Ich brauche Ihre Behandlung nicht. Bevor ich zu Ihnen kam, war ich bei Dr. Peabody, unten im sechsten Stock. Sie kennen ihn ja, den kleinen Herzspezialisten. Er gab mir eine Injektion. Machte mich wieder fit, wissen Sie …«
»Herzkrankheiten sind nicht meine Spezialität.«
»Wäre aber besser für Sie. Ist das einzige Gebiet der Medizin, das noch geht – außer Chirurgie, klarer Fall. Eine Spritze, und schon ist man wieder auf dem Damm. Hilft gegen alles, auch Depressionen, Aufregungen, Lethargie – eben gegen alles. Ich fühle mich jetzt wohl. Bin der friedlichste Mensch der Welt.«
»Das ist aber nicht von Dauer. Früher oder später wird Ihr Temperament wieder mit Ihnen durchgehen.«
»Dann lasse ich mir wieder eine Spritze geben. Das machen heute alle so.«
»Ist das vielleicht eine dauerhafte Lösung? Sie lassen nur das Symptom behandeln, dringen aber nicht bis zur Wurzel des Übels vor.« Anson trat auf den Manager zu. »Sie stehen unter einer großen seelischen Spannung. Wahrscheinlich gehen die Ursachen bis in die Kindheit zurück. Sind Sie viel geschlagen worden …?«
»Ich stelle hier die Fragen! Was also ist mit den falschen Geldstücken, die Sie meinem Roboter angedreht haben?«
»Oh … das war nur ein Scherz. Ich dachte, wenn Sie mir ein paar Tage Zeit lassen …«
»Ich gebe Ihnen fünf Minuten«, sagte der Manager und lächelte, was seine Entschlossenheit nur noch unterstrich. »Sie sollten doch wissen, daß man einen Roboter nicht betrügen kann. Die neuen Modelle haben eine Sicherheitsvorkehrung eingebaut. Kaum betrat er mein Büro, da spuckte er die falschen Kreditstücke auch schon auf meinen Tisch. Er konnte sie nicht verdauen. Ich auch nicht.«
»Verdauen?« In Ansons Stimme war neue Hoffnung. »Haben Sie nicht manchmal Schwierigkeiten mit Ihrer Verdauung? Oder Magengeschwüre? Das kann schon manchmal die Ursache für seelische Depres …«
»Hören Sie gut zu«, unterbrach der Manager, immer noch ruhig. »Sie sind eigentlich kein schlechter Mensch, Anson, aber ich schätze, Sie sind ein wenig durcheinander. Die Zeit hat Sie überholt. Die alten Medizinmänner wurden atomisiert; nichts blieb von ihnen übrig. Man braucht sie auch heute nicht mehr. Sie erinnern mich an einen Peitschenfabrikanten Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, der allen Leuten klarzumachen versuchte, das Automobil könne sich nicht durchsetzen. Warum geben Sie sich selbst gegenüber nicht zu, daß Sie und Ihr Beruf erledigt sind? Ein Mensch heute müßte doch verrückt sein, wenn er zu einem Psychiater ginge., und Sie wissen so gut wie ich, daß es keine Verrückten mehr gibt. Satteln Sie um, Anson. Schaffen Sie sich einen Vorrat an Ampullen an und verteilen Sie Injektionen, aber versuchen Sie nicht, die kranken Seelen anderer zu heilen, wenn Ihre eigene dringend einen Erholungsurlaub nötig hat.«
Anson schüttelte den Kopf.
»Kein Interesse – tut mir leid.«
Der Manager spreizte die Hände.
»Nun gut, ich wollte Ihnen nur einen Tip geben. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie aus der Wohnung zu werfen.«
Er öffnete die Tür. Wahrscheinlich hatte er gewußt, wie die Unterredung ausfallen würde, denn draußen auf dem Korridor warteten zwei Ausräumer. Sie rollten ohne weitere Aufforderung in Ansons Zimmer und begannen damit, die Bücher aus den Regalen zu räumen und in ihren riesigen Bauchtaschen zu verstauen.
»Wartet!« rief Anson verzweifelt, aber die Roboter ließen sich nicht in ihrer Arbeit stören. Alphabetisch geordnet nahmen sie die Werke der Psychoexperten aus den Regalen und Schränken – Adler, Brill, Carmichael, Dunbar, Ellis, Freud, Gesell, Horney, Isaacs, Jung, Kardiner, Lindner Moll…
»Aber Liebling, was soll denn das bedeuten?«
Sue Porter war plötzlich im Zimmer und dann in Ansons Armen. Er wußte im Augenblick auch nicht mehr, was das bedeutete, und es war schwer für ihn, sich an die Wirklichkeit zu erinnern. So sehr verwirrte ihn Sues Umarmung, und soviel bedeutete sie
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