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Heyne Galaxy 11

Heyne Galaxy 11

Titel: Heyne Galaxy 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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Instruments, das er nicht kannte, hatte in Peter keinerlei geschichtliche Überlegungen ausgelöst – ebenso wenig wie die anderen Erinnerungsstücke, die in der Zeitkapsel gewesen waren: Goodman's Carnegie-Album; seine klassische Aufnahme der Ersten Rhapsodie für Klarinette von Debussy; der Baseball-Stock, mit dem Willy May beim 715. Heimspiel geschlagen worden war; das Originalkonzept der Rede, die John Steinbeck bei der Entgegennahme des Nobelpreises gehalten hatte; das Gewehr, mit dem John F. Kennedy erschossen worden war; ein Paar Elvis-Presley-Hosen; die erste Kugel des Vietnam-Krieges. Alle diese Objekte waren von einem katholisch orientierten Komitee zusammengetragen worden, mit dem Ziel, einen charakteristischen Überblick über die Schwerpunkte der amerikanischen Geschichte von 1935 bis 1970 zu geben.
    Aber für Peter war nur die Klarinette wichtig.
    Er legte eine Langspielplatte auf das alte Grammophon, das nur dadurch bei Laune gehalten wurde, daß er von Zeit zu Zeit den Reparaturroboter herbeirief. Er schloß die Augen und verfolgte mit den Fingern die Passagen des Sing-Sing-Sing-Solos von Goodman. Als das Stück zu Ende war, schaltete er den Plattenspieler ab und spielte das Stück noch einmal, diesmal allein und ohne einen Fehler zu machen.
    Dann wechselte er den Griff und stimmte eine leise symphonische Kadenz an, wobei er in die sanften und flötengleichen Töne der klassischen Musik verfiel. Aber er war nicht völlig zufrieden und wiederholte bestimmte Sequenzen immer wieder.
    Er war ein dünner junger Mann, den das lange Exil in diesem ansonsten verlassenen Teil des Adytums gezeichnet hatte. Er trug enge Hosen und ein grobgestricktes Hemd, das er bereits bei seiner Trennung von den jungen Priestern am Leibe gehabt hatte. Sein Haarschnitt erinnerte nur noch entfernt an die saloppe Pagenfrisur, die von den anderen bevorzugt wurde; seit seiner Flucht hatte er sich die Haare mehrmals ganz kurz geschnitten, was praktischer und angenehmer war.
    Nachdem er drei Stunden lang konzentriert geübt hatte, stülpte Peter die Hülle über das Mundstück, stellte die Klarinette vorsichtig auf eine Bank, ging in den Nebenraum, wo sich die Wand mit den Nahrungsknöpfen befand, und drückte sich eine synthetische Tomatensuppe. Als er noch bei den anderen gewesen war, hatte er gegessen, was alle aßen – Hamburger und leichte Mixgetränke. Nach seiner Abkehr hatte er sich seinen Speiseplan etwas abwechslungsreicher gestaltet.
    Kurz darauf kehrte er an sein Instrument zurück.
    Das Adytum, das sich über eine Fläche von etwa siebenundsechzig Quadratkilometern erstreckte, reichte bis tief unter ein Hochplateau der Sierra Nevada und durchstieß alle denkbaren Gesteinsschichten – Schiefer und Granit, Kreide und Lavagestein. Der Bau der ausgedehnten Anlage ging auf Pläne der westlichen Regierungen zurück, denen es gelungen war, ihre Absichten weitgehend geheimzuhalten. Die Öffentlichkeit wurde über den Zweck der Adytums nicht aufgeklärt, sondern in dem Glauben gelassen, es handle sich um atomare Testanlagen. Im letzten Jahr vor der allgemeinen Vernichtung hatte die Panik in einem derartigen Maße zugenommen, daß im Ernstfall ein Massenansturm auf die unterirdischen Anlagen und somit ein Chaos unvermeidlich gewesen wären. Also wurde die Existenz der Adytums erst bekannt gemacht, als die ersten Raketen bereits abgefeuert waren. Einige der Adytums befanden sich in der Wüste, die meisten jedoch in Gebirgsgegenden.
    Im südlichen Teil des Adytums standen die jungen Priester nackt in ihrem Duschraum, wo ihre wohlgenährten Körper von mechanischen Armen gründlich abgeseift und abgetrocknet wurden. In die gleiche Kleidung gehüllt, die auch Peter der Seltsame in seinem nördlich gelegenen Exil trug, das von der Gruppe vor zweieinhalb Jahren als ›Quatschland‹ abgeschrieben worden war, begaben sie sich in den Eßraum, wo sie mittels Knopfdruck Hamburger und Mixgetränke bestellten. Sie setzten sich an einen langen Tisch und aßen und lachten – zwanzig junge Mädchen und zwanzig junge Männer, die in der Einheitskleidung des Adytums kaum voneinander zu unterscheiden waren.
    Während des Essens lief ein unendliches Tonband, das einen gleichbleibenden Ton – ähnlich einem leisen, überirdischen Klirren – erzeugte. Daneben war eine Stimme zu hören, die in ständigem Rhythmus die Worte »Zapzerap-tam-tam! Zapzerap-tam- tam!« wiederholte. Die Eltern, die ursprünglich mit ihren Kindern in das Adytum gekommen

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