Heyne Galaxy 14
mit einer Romantikerin zu tun. Ich war nur im Augenblick viel zu sehr mit meinem eigenen Kummer beschäftigt, um darauf zu achten.
»Abgesehen von einer Kleinigkeit«, wiederholte ich. »Sie hat einen kleinen Fehler, einen Pünktlichkeitsfimmel. Und ich war um zehn Uhr mit ihr verabredet und komme jetzt zu spät!« Ich drohte dem Schirm mit der Faust. »Sind Sie sich dessen bewußt, was Sie mir da angetan haben? Sie wird mich jetzt nicht nur nicht heiraten, sondern auch kein Wort mehr mit mir sprechen!«
»Sir«, sagte das Mädchen mit zitternder Stimme. »Bitte schreien Sie nicht.«
»Ich schreie nicht!«
»Sir, es tut mir entsetzlich leid. Ich kann ja verstehen, daß Sie…«
»Sie können verstehen…?« Zitternd vor Wut konnte ich den Satz nicht mehr zu Ende sprechen.
Sie blickte sich nach allen Seiten um und beugte sich dann näher an das Objektiv heran, wobei sie einen beachtenswerten Ausschnitt enthüllte. Leider war ich viel zu aufgeregt, um weiter darauf zu achten. »Wir dürfen die Information eigentlich nicht weitergeben«, sagte sie leise, »aber ich werd's Ihnen sagen, damit Sie verstehen, warum wir den Fahrstuhl abschalten mußten. Ich finde es entsetzlich, daß Ihre Pläne dadurch so gestört wurden, aber man hat festgestellt« – sie beugte sich noch weiter vor –, »daß sich ein Spion im Fahrstuhl aufhält.«
2
Verblüfft trat ich einen Schritt zurück und starrte sie mit offenem Mund an. »Ein … ein was?«
»Ein Spion. Man hat ihn im hundertsiebenundvierzigsten Stockwerk entdeckt, und er ist in den Fahrstuhl entkommen, ehe ihn die Armee erwischen konnte. Er hat die Fahrstuhlkabine irgendwo zwischen den Etagen gestoppt. Die Armee bemüht sich zur Zeit, ihn dort herauszuholen.«
»Nun ja – aber bereitet denn das irgendwelche Probleme?«
»Er hat den Fahrstuhl auf Handkontrolle umgestellt, so daß wir die Kabine von außen nicht bewegen können. Und wenn jemand in den Schacht einzudringen versucht, zielt er mit dem Fahrstuhl auf ihn.«
Das hörte sich absolut unmöglich an. »Er zielt mit dem Fahrstuhl …?«
»Na ja, er fährt damit im Schacht hin und her und versucht die Verfolger zu zerquetschen.«
»Oh«, sagte ich. »Es kann also eine Weile dauern.«
Jetzt beugte sie sich so nahe heran, daß ich trotz meines erregten Zustandes nicht umhin konnte, von ihrem Ausschnitt Notiz zu nehmen. »Man befürchtet sogar«, flüsterte sie, »daß man ihn aushungern muß.«
»O nein!«
Sie nickte feierlich. »Es tut mir wirklich leid, Sir«, sagte sie, warf einen Blick nach rechts, richtete sich wieder auf und sagte hastig: »Wir werden den Betrieb so schnell wie möglich wieder aufnehmen, Sir.« Es klickte, und das Bild erlosch.
Eine Minute lang saß ich regungslos vor dem Visiphon und versuchte die überraschenden Neuigkeiten zu verdauen. Ein Spion im Fahrstuhl! Ein Spion, der sich bis in das hundertsiebenundvierzigste Stockwerk hochgearbeitet hatte, ehe er entdeckt wurde!
Was, um alles in der Welt, war nur mit der Armee los? Wenn unser Projekt so wenig ausreichend geschützt war, schwebte es in großer Gefahr, mochten seine Energieschirme auch noch so stark sein. Wer konnte wissen, wie viele Spione sich noch bei uns herumtrieben?
Bis zu diesem Augenblick hatte die politische Spannung, in der wir alle lebten, wenig Bedeutung für mich gehabt. Immerhin war das Projekt eine in sich geschlossene, unabhängige Einheit. Niemand verließ es und niemand kam herein. Unter unserem Dach bildeten wir in zweihundert Stockwerken eine eigene Nation. Für mich – und wahrscheinlich auch für die meisten anderen Leute – hatte die ständige Bedrohung durch andere Projekte bisher nur darin bestanden, daß Erzwagen von Zeit zu Zeit nicht zurückkehrten, daß gelegentlich ein Spion erschossen wurde, der in unser Projekt eindringen wollte, und daß hin und wieder auch eigene Spione in kleinen strahlungssicheren Wagen davonfuhren – mit dem Ziel, in andere Projekte einzudringen und uns Informationen über die gegen uns gerichteten Pläne zu übermitteln. Die meisten Spione kehrten nicht zurück, während bei den Erzwagen die Ausfallquote bei weitem nicht so hoch war. Für die Bewohner des Projekts waren die äußeren Gefahren wenig real, denn sie lauerten nun schon seit Jahrzehnten, ohne daß sich etwas getan hatte – genau gesagt seit dem Ende des Dritten Weltkrieges.
Nach Dr. Kilbillie, unserem damaligen Geschichtslehrer, war das Entstehen der Projekte auf das Zusammenwirken
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