Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heyne Galaxy 14

Heyne Galaxy 14

Titel: Heyne Galaxy 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
Vom Netzwerk:
Diese städtischen Behörden hatten Feuerschutzbestimmungen – auch damals schon eine lächerliche Sache –, nach denen in jedem Gebäude der Stadt ein komplettes Treppenhaus vorhanden sein mußte. Also hatte auch unser Projekt eine durchgehende Treppe mit insgesamt dreitausendzweihundert Stufen.
    Nun konnte mir diese Treppe nützlich sein, denn Linda wohnte nur dreizehn Stockwerke unter mir. Bei sechzehn Stufen pro Stockwerk waren das nur zweihundertundacht Stufen.
    Und daß ich für meinen Liebling zweihundertacht Stufen hinabsteigen konnte – daran bestand kein Zweifel. Wenn ich die Tür aufbekam.
    Ich schaffte es. Sie quietschte und stöhnte zwar erbärmlich, öffnete sich jedoch halb. Niemand wußte, wie lange sie geschlossen gewesen war. Ich betrat den staubigen Treppenabsatz und begann den Abstieg. Nach acht Stufen kam wieder ein Absatz, und nach weiteren acht Stufen war ich im nächsten Stockwerk. Und so weiter.
    Auf dem Absatz zwischen dem hundertundfünfzigsten und hundertundneunundvierzigsten Stockwerk stieß ich auf eine kleine Tür. Ich hielt inne und stellte fest, daß man vor Urzeiten einmal Buchstaben auf ihren Lack gemalt hatte. Die Farbe war längst abgeblättert, doch in der Staubschicht konnte ich die Worte noch entziffern.
    Noteingang
    Fahrstuhlschacht
    Für Unbefugte Zutritt verboten
    Verschlossen halten
    Stirnrunzelnd fragte ich mich, warum die Tür nicht von einer Abteilung Soldaten bewacht wurde. In Sekundenschnelle fielen mir ein halbes Dutzend Antworten ein. Vielleicht war die kleine und überflüssige Öffnung in die neuesten Pläne des Projekts nicht mehr eingezeichnet worden. Vielleicht war die Tür auch auf der anderen Seite zugemauert. Oder die Armee hatte den Spion bereits gefaßt. Oder einer der Kommandanten hatte etwas übersehen.
    Während ich noch diese Möglichkeiten bedachte, öffnete sich die Tür, und der Spion trat mir mit erhobener Pistole entgegen.
     
     
    3
     
    Es konnte sich nur um den Spion handeln – er fuchtelte mir mit der Waffe vor dem Gesicht herum und sah außerdem sehr gehetzt und nervös aus. Und er kam aus dem Fahrstuhlschacht.
    Wenn ich heute über diesen Augenblick nachdenke, glaube ich, daß er über unsere Begegnung ebenso erschrocken war wie ich. Mit aufgerissenem Mund starrten wir uns einen Augenblick bewegungslos an.
    Unglücklicherweise kam er zuerst wieder zu sich.
    Er schloß die kleine Tür leise hinter sich und richtete seine Pistole auf meinen Bauch. »Rühren Sie sich nicht von der Stelle!« flüsterte er rauh. »Und kein Geräusch, verstanden?«
    Ich gehorchte. Ich bewegte mich nicht, und ich gab auch keinen Ton von mir – was mir ausreichend Gelegenheit gab, den Mann zu betrachten.
    Er war nicht sehr groß – etwa fünf Zentimeter kleiner als ich, hatte ein hageres Gesicht mit hohen Backenknochen, tiefliegenden Augen und einem schmallippigen Mund. Er war in Hemd und Hosen und trug braune Schuhe. Er sah so aus, wie ich mir einen Spion immer vorgestellt hatte – das heißt, daß er überwältigend normal wirkte. Er erinnerte mich vor allem an einen ziemlich schweigsamen Milchmann, der vor vielen Jahren jeden Morgen an die Wohnungstür meiner Eltern gekommen war.
    Sein Blick wanderte hin und her. Dann deutete er mit seiner freien Hand auf die nach unten führende Treppe und flüsterte: »Wo geht's da hin?«
    Ich mußte mich räuspern, ehe ich ihm antworten konnte. »Ganz nach unten«, sagte ich.
    »Gut«, erwiderte er. Im gleichen Augenblick hörten wir ein heiseres Quietschen, das etwa vier Stockwerke unter uns ertönte und nur von einer Korridortür stammen konnte, die langsam geöffnet wurde. Gleich darauf vernahmen wir das Stapfen schwerer Schritte auf der Treppe. Die Armee!
    Aber wenn ich mir Hoffnung auf eine baldige Rettung gemacht hatte, wurde sie von dem Spion schnell zunichte gemacht. »Wo wohnen Sie?« flüsterte er.
    »Im hundertdreiundfünfzigsten«, sagte ich. Offensichtlich hatte ich es mit einem in die Enge getriebenen und daher besonders gefährlichen Mann zu tun, und ich wußte, daß meine einzige Chance darin lag, seine Fragen schnell zu beantworten und seinen Befehlen solange zu gehorchen, bis sich eine Gelegenheit zur Flucht ergab oder ich ihn überwältigen konnte.
    »Gut«, flüsterte er. »Marschieren Sie los!« Und er stieß mir die Waffe in die Seite.
    Wir stiegen die Treppe zum hundertdreiundfünfzigsten Stockwerk hoch und blieben hinter der Korridortür stehen. Er stellte sich dicht hinter mich, drückte mir den

Weitere Kostenlose Bücher