Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HHhH

HHhH

Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
Vom Netzwerk:
der Mann trotz seines Nachnamens kein Jude. Stattdessen lässt die Untersuchung zwischenzeitlich Zweifel an der Reinheit der mütterlichen Seite aufkommen. Aus Mangel an Beweisen wird Heydrich schließlich offiziell entlastet. Doch Himmler fragt sich trotzdem, ob es nicht besser wäre, ihn loszuwerden. Er weiß, dass Heydrich diesem Gerücht immer ausgesetzt sein wird. Auf der anderen Seite hat sich der junge Mann durch seine Aktivitäten bei der SS als äußerst vielversprechend, vielleicht sogar als unabkömmlich erwiesen. In seiner Unentschlossenheit beschließt Himmler, diesbezüglich auf die Weisheit seines Führers persönlich zu vertrauen.
    Hitler zitiert Heydrich zu sich und unterhält sich mit ihm ausgiebig unter vier Augen. Was Heydrich ihm gesagt hat, weiß ich nicht, aber nach diesem Treffen steht Hitlers Meinung fest. Er erklärt Himmler: «Dieser Heydrich ist ein sehr gefährlicher Mann, dessen Gaben man der Bewegung erhalten muss. Solche Leute kann man nur arbeiten lassen, wenn man sie fest in der Hand behält. Dazu eignet sich seine nichtarische Abstammung ausgezeichnet. Er wird uns ewig dankbar sein, dass wir ihn behalten, und wird blindlings gehorchen.» Himmler ist ein wenig beunruhigt, einen Mann unter sich zu haben, der beim Führer eine derartige Bewunderung auslöst, pflichtet ihm aber trotzdem bei, weil es nicht zu seinen Gewohnheiten gehört, die Ansichten seines Führers anzuzweifeln.
    Heydrich hat seinen Kopf also aus der Schlinge gezogen. Doch er musste den Albtraum seiner Kindheit ein weiteres Mal durchleben. Welches merkwürdige Schicksal ist dafür verantwortlich, dass man ihm vorwirft, Jude zu sein, ausgerechnet ihm, der die Reinheit der arischen Rasse wie kein Zweiter verkörpert? Sein Hass auf dieses verfluchte Volk wächst. Und den Namen Gregor Strasser wird er sich merken.

34
    Irgendwann zu dieser Zeit beschließt Heydrich, eine kleine Änderung an seinem Vornamen vorzunehmen. Er streicht das t am Ende, und aus Reinhardt wird Reinhard.

35
    Ich habe Blödsinn geschrieben. Zum einen hatte ich mir etwas Falsches gemerkt, zum anderen hat sich meine Phantasie dazwischengemogelt. Der Chef des englischen Geheimdienstes nannte sich zu jener Zeit «C» und nicht «M» wie in James Bond . Heydrich ließ sich ebenfalls «C» nennen und nicht «H». Und es ist nicht einmal sicher, dass er den Engländer damit nachahmen wollte; wahrscheinlich stand das Initial einfach nur für Chef .
    Dafür bin ich beim Überprüfen meiner Quellen auf eine vertrauliche Mitteilung gestoßen. Wem gegenüber Heydrich sie äußerte, weiß ich nicht, doch sie zeigt, dass er eine ausgesprochen klare Vorstellung von seiner Funktion hatte: In einem modernen totalitären Regierungssystem kenne das Prinzip der Staatssicherheit keine Grenzen. Die Verantwortlichen müssten danach streben, eine nahezu uneingeschränkte Macht zu erlangen.
    Man kann Heydrich eine ganze Menge vorwerfen, aber nicht, seine Versprechen nicht gehalten zu haben.

36
    Der 20. April 1934 ist ein folgenschwerer Tag in der Geschichte des schwarzen Ordens: Göring übergibt die Leitung der Gestapo, die er erschaffen hat, an die beiden Chefs der SS. Himmler und Heydrich beziehen die prachtvollen Büros in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin. Heydrich sucht sich ein Büro aus. Richtet sich ein. Nimmt am Schreibtisch Platz. Beginnt unverzüglich mit der Arbeit. Ergreift seine Schreibfeder. Und beginnt, Listen zu erstellen.
    Göring hat die Leitung seiner Geheimpolizei, die schon jetzt ein Kleinod innerhalb des Naziregimes darstellt, keineswegs frohen Herzens abgegeben. Doch er muss diesen Preis zahlen, um sich Himmlers Unterstützung gegen Röhm zu sichern: Der kleinbürgerliche SS-Mann beunruhigt ihn weniger als der sozialistische Aufwiegler der SA. Röhm verkündet gern, dass die nationalsozialistische Revolution noch nicht zu Ende sei. Göring sieht das anders: Sie haben die Macht bekommen, ihre einzige Aufgabe besteht jetzt darin, sie zu behalten. Sicher ist jedenfalls, dass sich Heydrich auf seine Seite stellen wird, auch wenn Röhm der Patenonkel seines Sohns ist.

37
    Ganz Berlin brodelt vor Verschwörungstheorien, seit ein Dokument in der Stadt die Runde macht. Es handelt sich um eine maschinengeschriebene Liste. Neutrale Beobachter sind verblüfft über die Sorglosigkeit, mit der das Papier in den Cafés kursiert und unter den Augen der Bedienungen herumgereicht wird, obwohl jeder weiß, dass sie Heydrichs gefügige Spitzel sind.
    Es geht

Weitere Kostenlose Bücher