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HHhH

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Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
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nicht verlassen. Als eingefleischte Antisemitin drängt sie Heydrich dazu, Kontakt zu einem Nazi aufzunehmen, der einen hohen Posten in der immer bekannter werdenden neuen Eliteorganisation bekleidet – der SS.
    Wurde am 30. April 1931, dem Tag, an dem Heydrich unehrenhaft aus der Marine entlassen wurde, neben seinem eigenen auch das Schicksal seiner zukünftigen Opfer besiegelt? Man kann sich dessen nicht vollkommen sicher sein, denn schon seit den Wahlen von 1930 hatte Heydrich verkündet: «Nun wird Hindenburg wohl nichts anderes übrigbleiben, als Adolf Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Dann hat unsere Stunde geschlagen.» Abgesehen von der Tatsache, dass er sich bei Hitlers Ernennung um drei Jahre verschätzte, ist deutlich zu erkennen, welche politischen Ansichten Heydrich seit 1930 vertrat. Man darf also annehmen, dass er auch als Marineoffizier eine ansehnliche Karriere bei den Nazis gemacht hätte. Aber vielleicht wäre sie nicht ganz so monströs ausgefallen.

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    Heydrich überbrückt die Zeit bei seinen Eltern und heult sich bei ihnen tagelang aus wie ein kleines Kind.
    Dann tritt er in die SS ein. Doch 1931 verdient man als kleines Licht in der SS noch nicht genug, um sich über Wasser zu halten. Die Arbeit ist beinahe ehrenamtlich, wenn man so sagen will. Immerhin bietet sie die Chance, in der Hierarchie aufzusteigen.

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    Dieses Treffen hätte durchaus etwas Komisches, wäre es nicht der Anstoß für den Tod mehrerer Millionen Menschen gewesen. Auf der einen Seite der große Blonde in schwarzer Uniform mit Pferdegesicht, hoher Krächzstimme und sorgfältig gewichsten Stiefeln. Auf der anderen Seite ein kleiner bebrillter schnurrbärtiger Hamster mit Haaren in dunklem Kastanienbraun, dessen Gesamterscheinung so gar nicht arisch ist. In dem lächerlichen Bemühen, seinem Führer Adolf Hitler durch den Schnurrbart zu gleichen, versucht Heinrich Himmler, seine physisch zunächst nicht erkennbare Verbindung zum Nationalsozialismus wettzumachen, von den unterschiedlichen Uniformen, die ihm bereits zur Verfügung stehen, einmal abgesehen.
    Entgegen jeder Rassenlogik hat der Hamster das Sagen. Himmlers Position innerhalb der Partei, die im Begriff ist, bei den Wahlen den Sieg davonzutragen, ist bereits sehr gefestigt. Der große blonde Heydrich ist daher bemüht, gegenüber dieser kuriosen kleinen Erscheinung mit Nagergesicht, aber wachsendem Einfluss, ein respektvolles und zugleich selbstsicheres Auftreten an den Tag zu legen. Es ist das erste Mal, dass er Himmler trifft, den Chef des Korps, dem er angehört. In seiner Funktion als SS-Offizier bewirbt sich Heydrich – dank der Empfehlung eines Freundes seiner Mutter – um die Leitung des Nachrichtendienstes, den Himmler innerhalb seiner Organisation einzurichten gedenkt. Himmler zögert noch. Es gibt einen weiteren Kandidaten, den er bevorzugt. Er weiß nicht, dass dieser Anwärter ein Agent der Republik ist, der sich in den Nazi-Apparat einschleichen will. Er ist so überzeugt davon, dass dieser Mann seinen Zwecken dienlich sein wird, dass er das Gespräch mit Heydrich eigentlich auf unbestimmte Zeit verschieben wollte. Doch als Lina davon Wind bekam, setzte sie ihren Mann in den nächsten Zug nach München, damit er den ehemaligen Hühnerzüchter und künftigen Reichsführer Himmler – den Hitler kurze Zeit später nur noch «meinen treuen Heinrich» nennen wird – unverzüglich in dessen Haus aufsuche.
    Heydrich hat das Treffen also erzwungen und sich Himmler aufgedrängt, der nicht gerade bester Laune ist. Wenn Heydrich nicht ewig beim Kieler Yacht-Club als Trainer für betuchte Hobbysegler arbeiten möchte, sollte er so schnell wie möglich einen guten Eindruck machen.
    Doch Heydrich hat auch einen Trumpf im Ärmel: Himmlers sagenhafte Inkompetenz auf dem Gebiet der Nachrichtendienste.
    Heydrich war als «technischer Nachrichtenoffizier» für den Funk ausgebildet worden und hatte mit nachrichtendienstlicher Tätigkeit nie etwas zu tun gehabt. Himmler weiß jedoch nicht zwischen einem Nachrichtenoffizier und einem Nachrichtendienstoffizier zu unterscheiden, und so führte sein chronisches Unwissen über das Militär im Allgemeinen dazu, dass Heydrich als ehemaliger Nachrichtenoffizier heute überhaupt vor ihm sitzt. Heydrich hat so gut wie keine Ahnung vom Nachrichtendienst. Und Himmler verlangt von ihm nicht mehr und nicht weniger, als dass er einen Spionagedienst innerhalb der SS aufbaut – als Konkurrenz zum bereits bestehenden

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