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euch damit den Hintern ab, ihr Juden!» Dann wirft er mit den Thora-Rollen wie mit Luftschlangen um sich. Schon hier zeigt sich dieser unnachahmliche Stil!
In dem Bericht des Bürgermeisters einer kleinen Stadt ist zu lesen, die Aktion gegen die Juden sei zügig verlaufen. Infolge der ergriffenen Maßnahmen habe sich ein jüdisches Paar in die Donau geworfen.
Alle Synagogen brennen, doch Heydrich kennt seinen Beruf und veranlasst, dass alle Archive, die man finden kann, ins Hauptquartier des SD gebracht werden. In der Wilhelmstraße treffen zahlreiche Kisten mit Dokumenten ein. Die Nazis verbrennen zwar gerne Bücher, aber keine Register. Deutsche Gründlichkeit? Wer weiß, ob sich die SA-Leute mit diesen wertvollen Archiven nicht den Hintern abgewischt haben …
Am Tag nach der Reichskristallnacht erstattet Heydrich Göring einen vorläufigen vertraulichen Bericht: Der Umfang der Zerstörungen jüdischer Geschäfte und Wohnungen lässt sich bisher zahlenmäßig noch nicht belegen. 815 zerstörte Geschäfte, 171 in Brand gesetzte oder zerstörte Wohnhäuser geben nur einen Teil der wirklich vorliegenden Zerstörungen wieder. 119 Synagogen wurden in Brand gesteckt, weitere 46 vollständig demoliert. 20 000 Juden wurden festgenommen. Es wurden 36 Todesfälle gemeldet. Die Zahl der Schwerverletzten beträgt ebenfalls 36. Die Getöteten und Verletzten sind alle Juden.
Außerdem wurde Heydrich von Vergewaltigungen berichtet, die für schlimmer erachtet werden als Mord, da sie gegen die Nürnberger Rassengesetze verstoßen. Die Schuldigen werden festgenommen, aus der Partei geworfen und dem Gericht vorgeführt. Wer einen Juden ermordet hat, wird hingegen nicht belangt.
Zwei Tage später findet im Reichsluftfahrtministerium eine Versammlung unter Vorsitz Görings statt, bei der besprochen wird, wie die Kosten für die verursachten Schäden auf die Juden abgewälzt werden können. Wie der Sprecher der Versicherungsgesellschaften darlegt, machten allein die zerstörten Schaufenster- und Fensterscheiben (daher stammt die Bezeichnung Reichskristallnacht) einen Schaden von fünf Millionen Mark aus. Bei den Eigentümern der jüdischen Geschäfte handelt es sich in vielen Fällen um Arier, die für die Schäden aufkommen müssen. Göring ist außer sich vor Wut. Niemand hatte den ökonomischen Schaden bedacht, den die Operation nach sich ziehen würde, und Göring als Verantwortlicher für Deutschlands wirtschaftliches Wohlergehen offenbar am allerwenigsten. Er brüllt Heydrich ins Gesicht, es sei ihm lieber gewesen, man hätte zweihundert Juden ermordet als derartige Werte vernichtet. Beleidigt antwortet Heydrich, es seien 36 Juden getötet worden.
In dem Maße, in dem Lösungen gefunden werden, um die Juden selbst für die Schäden aufkommen zu lassen, beruhigt sich Göring, und die Stimmung entspannt sich. Heydrich hört, wie Göring mit Goebbels darüber scherzt, den Juden ein Waldreservat zuzuteilen und darin Tiere anzusiedeln, die den Juden ähnlich sähen, wie den Elch mit seiner krummen Nase. Darüber müssen alle Anwesenden herzlich lachen, außer dem Versicherungsvertreter, den der Finanzplan des Feldmarschalls nicht so recht überzeugt. Auch Heydrich lacht nicht mit.
Am Ende der Versammlung steigt er in die Debatte ein:
«Bei allem Herausnehmen des Juden aus der Wirtschaft bleibt das Grundproblem letzten Endes doch immer, dass der Jude aus Deutschland herauskommt.» Er schlägt vor, in der Zwischenzeit jeden Juden mit einem deutlichen Zeichen auszustatten, an dem man ihn sofort erkennt.
«Eine Uniform!», frohlockt Göring, der seit jeher einen Klamottenfimmel hat.
«Ein Abzeichen», erwidert Heydrich.
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Doch diese prophetische Ankündigung bleibt nicht die einzige Konsequenz der Sitzung. Von nun an wird den Juden der Zugang zu Schulen, öffentlichen Krankenhäusern, Stränden und Kurorten verwehrt. Ihre Einkäufe dürfen sie nur zu bestimmten Uhrzeiten erledigen. Allerdings wird der Plan, ein spezielles Zugabteil oder einen Waggon für die Juden einzurichten, nicht in die Tat umgesetzt, weil Goebbels folgenden Einwand hatte: Was würde passieren, wenn im Zug großer Andrang herrscht? Die Deutschen müssten sich zusammenquetschen, während die Juden einen ganzen Waggon für sich allein hätten! Kurz gesagt, das Niveau der Debatten erreicht in puncto technischer Durchführung und Präzision einen neuen Höhepunkt.
Heydrich schlägt weitere Einschränkungen vor, was den Aufenthaltsradius der Juden
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