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leistet. Hácha muss die Kapitulation umgehend unterzeichnen und sich mit Prag in Verbindung setzen. Hitler sieht zwei Möglichkeiten: sofortiger Frieden und eine lange Friedensperiode zwischen den beiden Völkern oder die Vernichtung der Tschechoslowakei.
Der völlig versteinerte Hácha wird von Göring und Ribbentrop in die Mangel genommen. Vor ihm auf dem Tisch liegt die Kapitulationserklärung, er muss nur noch unterzeichnen. Er hält den Federhalter bereits in der Hand, doch er zittert stark. Kurz bevor der Stift das Dokument berührt, hält Hácha inne. In Abwesenheit des Führers, der sich meist nicht damit aufhält, sich um Details zu kümmern, gibt sich Hácha einen letzten Ruck: «Ich kann das nicht unterzeichnen. Wenn ich die Kapitulation unterschreibe, wird mich mein Volk auf ewig verdammen.» Stimmt genau.
Göring und Ribbentrop reden erbarmungslos auf ihn ein, es sei zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Laut einem Zeugenbericht spielt sich dabei folgende burleske Szene ab: Sie jagen Hácha um den Tisch herum, drücken ihm immer wieder den Federhalter in die Hand und wiederholen unaufhörlich, er solle sich setzen und das Dokument unterschreiben. Göring zetert unaufhörlich: Wenn Hácha bei seiner Weigerung bleibe, werde halb Prag innerhalb von zwei Stunden in Schutt und Asche liegen, und das sei nur der Anfang. Hunderte von Bombern warteten auf den Startbefehl, der um sechs Uhr früh erteilt werde, falls die Unterschrift nicht geleistet werde.
In diesem Augenblick erleidet Hácha einen Schwächeanfall. Jetzt stehen die beiden Nazis wie versteinert vor seinem bewusstlosen Körper. Sie müssen um jeden Preis verhindern, dass er ihnen unter den Händen wegstirbt. Sonst könnte man Hitler vorwerfen, ihn in der Reichskanzlei umgebracht zu haben. Glücklicherweise befindet sich vor Ort auch ein wahres Pikass in Gestalt von Dr. Morell, der Hitler später bis zu seinem Tod mehrmals täglich Amphetamine spritzen wird (was, nebenbei bemerkt, mitverantwortlich für die zunehmende Demenz des Führers gewesen sein dürfte). Dr. Morell tritt auf den Plan und pikst Hácha, der daraufhin wieder zu sich kommt. Er bekommt unverzüglich einen Hörer in die Hand gedrückt – angesichts der Dringlichkeit kann das Dokument warten. Ribbentrop hat bereits eine Direktverbindung mit Prag hergestellt. Mit letzter Kraft informiert Hácha das tschechische Kabinett in Prag von den Geschehnissen in Berlin und rät zur Kapitulation. Er bekommt einen zweiten Piks, dann bringt man ihn zum Führer, der ihm das vermaledeite Dokument erneut vorlegt. Es ist kurz vor vier Uhr morgens, als Hácha unterzeichnet. «Ich habe den Staat geopfert, um die Nation zu retten», so glaubt er einfältig. Es scheint, als wäre Chamberlains Dummheit ansteckend …
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«Berlin, 15. März 1939
Der Führer und Reichskanzler hat heute in Gegenwart des Reichsministers des Auswärtigen von Ribbentrop den tschechoslowakischen Staatspräsidenten Dr. Hácha [die Deutschen hatten die Unabhängigkeit der Slowakei offensichtlich noch nicht verinnerlicht, obwohl sie sie selbst in die Wege geleitet hatten] und den tschechoslowakischen Außenminister Chvalkovsky auf deren Wunsch in Berlin empfangen. Bei der Zusammenkunft ist die durch die Vorgänge der letzten Wochen auf dem bisherigen tschechoslowakischen Staatsgebiet entstandene ernste Lage in voller Offenheit einer Prüfung unterzogen worden.
Auf beiden Seiten ist übereinstimmend die Überzeugung zum Ausdruck gebracht worden, dass das Ziel aller Bemühungen die Sicherung von Ruhe, Ordnung und Frieden in diesem Teile Mitteleuropas sein müsse. Der tschechoslowakische Staatspräsident hat erklärt, dass er, um diesem Ziele zu dienen und um eine endgültige Befriedung zu erreichen, das Schicksal des tschechischen Volkes und Landes vertrauensvoll in die Hände des Führers des Deutschen Reiches legt. Der Führer hat diese Erklärung angenommen und seinem Entschluss Ausdruck gegeben, dass er das tschechische Volk unter den Schutz des Deutschen Reiches nehmen und ihm eine seiner Eigenart gemäße autonome Entwicklung seines Lebens gewährleisten wird.»
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Hitler ist vor Freude völlig außer sich. Er küsst alle seine Sekretärinnen und verkündet: «Kinder, das ist der größte Tag meines Lebens. Ich werde als der größte Deutsche in die Geschichte eingehen!»
Er beschließt, sich nach Prag zu begeben, um das Ereignis zu feiern.
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Die schönste Stadt der Welt macht einen Eindruck, als würde
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