Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HHhH

HHhH

Titel: HHhH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Binet Laurent
Vom Netzwerk:
in den nervtötendsten Realismus stürzt und sich an einem kleinbürgerlichen Universum ergötzt, das sie angeblich anprangert. Dann las ich Salammbô und nahm es sofort in die Liste meiner zehn Lieblingsbücher auf.
    Als ich die Idee hatte, ins Mittelalter einzutauchen, um die Ursprünge der deutsch-tschechischen Streitsache grob zu skizzieren, befasste ich mich mit einigen historischen Romanen, deren Handlung die zeitgenössische Ära verlässt, und kam so auf Flaubert.
    Während er an Salammbô arbeitete, schrieb Flaubert in seiner Korrespondenz beunruhigt: «Es geht um Geschichte, das weiß ich wohl, aber wenn ein Roman ebenso langweilig ist wie eine wissenschaftliche Abhandlung …» Zudem hatte er den Eindruck, in einem «beklagenswerten akademischen Stil» zu schreiben, und was ihm einfach «keine Ruhe lässt, ist die psychologische Seite der Geschichte», wo es doch noch dazu darum geht, «den Figuren eine Sprache in den Mund zu legen, in der sie selbst nicht gedacht hätten!». In puncto Recherche schrieb er: «Was ein Wort oder eine Idee angeht, mache ich Recherchen, gebe mich Phantastereien hin, tauche in endlose Tagträume ein […].» Dieses Problem geht Hand in Hand mit dem Wahrheitsgehalt: «Was die Altertumskunde angeht, ist ihr Wahrheitsgehalt ‹wahrscheinlich›. Nicht mehr und nicht weniger. Solange man mir nicht beweisen kann, dass ich etwas Absurdes geschrieben habe, gebe ich mich damit zufrieden.» Sofort fühle ich mich im Nachteil: Es ist einfacher, mir in Bezug auf das Autokennzeichen eines Mercedes aus den vierziger Jahren einen Fehler vorzuwerfen, als in Bezug auf ein Elefantengeschirr aus dem dritten Jahrhundert vor Christus …
    Wie dem auch sei, die Tatsache, dass Flaubert beim Schreiben seines Meisterwerks ähnliche Ängste verspürte und sich vor mir dieselben Fragen gestellt hat, tröstet mich ein wenig. Außerdem berührt mich seine Aussage: «Unsere Vorhaben sind von größerer Bedeutung als unsere Werke.» Das bedeutet, dass mein Buch ein Reinfall werden darf. Jetzt sollte alles zügiger vorangehen.

155
    Es ist unglaublich, ich habe gerade einen weiteren Roman über das Attentat entdeckt. Er heißt Like a Man und stammt von einem gewissen David Chacko. Der Titel soll eine ungefähre Übersetzung des griechischen Wortes Anthropoid sein. Der Autor hat extrem gut recherchiert, er vermittelt den Eindruck, sich alles zunutze gemacht zu haben, was man zum heutigen Zeitpunkt über das Attentat und Heydrich weiß, um die Episoden seines Romans zusammenzustellen. Selbst äußerst unbekannte Theorien (von denen einige sicherlich mit Vorsicht zu genießen sind) wie die Hypothese von der vergifteten Bombe finden sich in seinem Erzählstrang wieder. Seine Kenntnis des Falls hat mich stark beeindruckt, besonders was die Fülle an Details angeht, von denen ich annehme, dass sie der Wahrheit entsprechen, da ich mit meinem eigenen Wissensstand kein einziges davon widerlegen konnte. Sein Werk brachte mich dazu, meine Bewertung von Alan Burgess’ Roman Sieben Mann im Morgengrauen zu überdenken, den ich als ziemlich aus der Luft gegriffen abgetan habe. Die größte Skepsis habe ich ja in Bezug auf die Hakenkreuze geäußert, die man Kubiš angeblich mit einem Brandeisen auf den Arsch tätowiert hatte. Ähnlich herablassend habe ich behauptet, dass er bezüglich der Farbe von Heydrichs Mercedes einen schwerwiegenden Fehler beging, weil er ihn als grün beschrieb. Nun, David Chackos Roman bestätigt sowohl die Geschichte der Hakenkreuze als auch die Farbe des Wagens. Da er sich ansonsten meines Wissens kein einziges Mal getäuscht hat, nicht einmal bezüglich der merkwürdigsten Details, von denen ich in einem Übermaß an Stolz, der bei genauerer Betrachtung an Größenwahn grenzt, glaubte, dass vielleicht nur ich sie kenne, schreibe ich seinen Erzählungen zwangsläufig eine hohe Glaubwürdigkeit zu. Mit einem Mal kommen mir Zweifel – dabei habe ich diesen Mercedes doch schwarz gesehen, da bin ich ganz sicher; sowohl im Armeemuseum in Prag, wo der Wagen ausgestellt war, als auch auf den zahlreichen Fotos, die ich gefunden habe. Natürlich kann man auf einem Schwarzweißfoto Schwarz mit Dunkelgrün verwechseln. Auf der anderen Seite gab es in Bezug auf den ausgestellten Wagen eine kleine Auseinandersetzung: Das Museum verkaufte ihn als das Original, was einige bestritten und behaupteten, es handele sich in Wirklichkeit um einen identisch aufgemachten Mercedes (mit dem platten Reifen und der

Weitere Kostenlose Bücher