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ich muss schon sagen!
Nachdem die tschechischen Universitäten im November 1939 aufgrund aufrührerischer politischer Tendenzen für drei Jahre geschlossen wurden, wird eine Wiedereröffnung ganz offensichtlich nicht einmal in Betracht gezogen. Es obliegt Moravec, einen Grund zu finden, die Schließung über die drei Jahre hinaus zu verlängern.
Die Rede verleitet mich zu drei Anmerkungen:
1. In Tschechien wie auch andernorts wird die Lehre der nationalen Bildung nie so schlecht verteidigt wie durch ihren Minister. Der ursprünglich überzeugte Antinationalsozialist Emanuel Moravec wurde nach München zum aktivsten Kollaborateur der von Heydrich ernannten tschechischen Regierung und zum Gesprächspartner, den die Deutschen privilegiert behandeln, ganz im Gegensatz zu Emil Hácha, ihrem vertrottelten Expräsidenten. Die Bücher über die lokale Geschichte bezeichnen ihn gern als den «tschechischen Quisling», nach dem berüchtigten norwegischen Kollaborateur Vidkun Quisling, dessen Familienname durch Antonomasie seitdem in der überwiegenden Zahl europäischer Sprachen gleichbedeutend mit «Kollaborateur» ist.
2. Die Ehre der nationalen Erziehung wird in Wirklichkeit von den Lehrkräften verteidigt, die, wie immer man sonst zu ihnen stehen mag, als subversive Elemente gelten und dafür in Ehren gehalten werden sollten.
3. Der Sport ist trotzdem eine schöne faschistische Schweinerei.
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Erneut stoßen wir an die Grenzen dieser Gattung. Kein normaler Roman würde sich mit drei Personen gleichen Namens überfrachten, es sei denn, es sollte ein ganz spezieller Effekt erzielt werden. Nun, ich muss sie alle einbinden, Oberst Moravec, das wertvolle Oberhaupt der tschechischen Geheimdienste in London; die Familie Moravec mit ihrem heldenhaften Engagement in der inneren Widerstandsbewegung, Emanuel Moravec, den schändlichen Minister und Kollaborateur. Kapitän Václav Morávek, den Chef des Widerstandsnetzes «Tři králové», gar nicht mitgerechnet. Diese unglückliche Namensgleichheit dürfte den Leser gehörig durcheinanderbringen. Eine fiktionale Geschichte hätte schnell Ordnung in all das gebracht, hätte Oberst Moravec beispielsweise in Oberst Novak verwandelt, aus Familie Moravec würde Familie Švigar, warum auch nicht, oder der Verräter bekäme einen Phantasienamen, Nutella, Kodak, Prada, was weiß ich? Natürlich habe ich das nicht vor. Mein einziges Zugeständnis an den Leser besteht darin, die Eigennamen nicht zu deklinieren: Wo die weibliche Form von Moravec eigentlich Moravcová lauten müsste, behalte ich die Grundform für die Bezeichnung der Tante Moravec bei, um der ersten Komplikation (Namensgleichheit der realen Personen) nicht noch eine zweite hinzuzufügen (die weibliche Deklination oder die Pluralformen der slawischen Sprachen). Ich schreibe schließlich keinen russischen Roman. Außerdem bleibt in den französischen Übersetzungen von Krieg und Frieden Natacha Rostova auch ganz einfach Natacha Rostov.
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Eintrag aus Goebbels’ Tagebuch vom 6. Februar 1942:
«Gregory hält mir Vortrag über das Protektorat. Die Stimmung dort ist sehr gut. Heydrich hat blendend gearbeitet, politisch klug und umsichtig, sodass hier von einer Krise nicht mehr gesprochen werden kann. Im Übrigen möchte Heydrich Gregory durch einen SS-Führer ersetzen. Ich lehne das ab. Gregory kennt das Protektorat und vor allem die tschechische Bevölkerung ausgezeichnet, und die Personalpolitik, die Heydrich betreibt, ist nicht immer sehr klug, vor allem nicht immer sehr bestimmt. Ich werde deshalb an Gregory festhalten.»
Wer um alles in der Welt ist dieser Gregory? Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Und damit mir nicht jemand meine vorgebliche Lässigkeit ankreidet: Ich habe gesucht!
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Eintrag aus Goebbels’ Tagebuch vom 15. Februar 1942:
«Ich habe mit Heydrich eine ausgedehnte Aussprache über die Lage im Protektorat. Die Stimmung hat sich dort sehr gefestigt. Die Maßnahmen Heydrichs wirken sich gut aus. Allerdings stehen die Intelligenzkreise uns noch immer feindlich gegenüber. Aber man muss sich ihnen gegenüber das Volk zum Bundesgenossen machen. Jedenfalls ist die Gefahr, die seitens des Tschechentums der deutschen Sicherheit im Protektorat drohte, gänzlich überwunden. Heydrich operiert erfolgreich. Er spielt mit den Tschechen Katze und Maus, und sie schlucken alles, was er ihnen vorlegt. Er hat eine Reihe außerordentlich populärer Maßnahmen getroffen, darunter an erster Stelle die fast
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