Hi, Society
seltsamerweise das Schild erst feinsäuberlich abnahmen, um es dann geradezu akribisch in kleinste Mosaikteile zu zerschlagen. Verrückte gibt es, ich sage Ihnen. Aber unter uns gesagt, war das eher ein Geschenk des Himmels, weil ich doch diesen genialen Entwurf schon zu Hause hatte. Ich habe mich ein wenig inspirieren lassen vom Sex-And-The-City-Filmplakat. Das Schild ist strahlend weiß und die Schrift exakt die gleiche wie auf dem Plakat, bloß dass statt Sarah Jessica Parker halt mein Name da steht und die Skyline von Manhattan durch die von Wien ersetzt wurde oder besser gesagt wird. Denn es gab schon zwei Fehlentwürfe des Künstlers, der die Skyline malt. Einmal war das Riesenrad überproportional größer als der Stephansdom und das andere Mal fehlte das Rathaus. Aber wie heißt es so schön, aller guten Dinge sind drei und dafür, dass Karli normalerweise am Stephansplatz die Touris karikiert, kann man wirklich nicht meckern und außerdem: Wen kümmert’s, mein Leben ist ein Traum!
Es ist so traumhaft, dass ich, seit ich von meiner L.A.-Reise weiß, quasi gar nicht mehr schlafe und das Verblüffendste daran ist, dass die Schlaflosigkeit überhaupt gar keine Nebenwirkungen hat, mal abgesehen von diesem Lied, dass seither in meinem Kopf in Endlosschleife läuft: California, California, und immer wenn die Textzeile ›Here we coooome!‹ an der Reihe ist, fallen mir schlagartig mindestens zweitausend Gründe ein, weshalb ich am Ende nicht in L.A., sondern in Laab am Walde [1] landen werde.
Und dabei wurde mein Zimmer im Beverly Hills Hotel bereits gebucht. Sie wissen schon, dieses pinkfarbene Gebäude aus den Goldenen Zwanzigerjahren, wo sich Marilyn Monroe heimlich mit John F. Kennedy getroffen und sich Richard Gere als American Gigolo geräkelt hat. Das Hotel ist so cool, dass es sogar einen eigenen Song hat: Hotel California.
Und genau deshalb habe ich beschlossen, ab nun die Panik sein zu lassen und mich stattdessen höchst professionell auf meine neue Aufgabe vorzubereiten. Also habe ich mir all diese Bücher zugelegt, Sie wissen schon, Fachliteratur wie ›Grundlagen der organischen Stimmtherapie‹, ›Zum therapeutischen Umgang mit dem schwierigen Patient‹, ›Hollywoodschauspieler und ihre Neurosen‹, ›First Class Sprachkurs Englisch‹, ›Die Hollywood-Star Diät‹, mir eine Unmenge an Notizen gemacht und eine Unmenge an Geld ausgegeben. Aber das ist in Ordnung, schließlich handelt es sich um wohlüberlegte Investitionen in meine berufliche Zukunft. Dieser Super-Coach empfiehlt auch, dass man bei beruflichen Investitionen keinesfalls zögern solle, weil sie sich nämlich schon bald aromatisiert, ähm amortisiert haben. Also habe ich ordentlich investiert, meine Kräfte gebündelt und die 17 Regeln für beruflichen Erfolg nicht nur auswendig gelernt, sondern mit glänzendem Lackstift feinst säuberlich auf ein goldenes Buntpapier geschrieben und über unser Bett gehängt. Erik war ja nicht so begeistert. Erst wunderte er sich, dass er wohl vor lauter Arbeit Weihnachten vergessen haben musste, als er in seinem Pyjama den am Bettende baumelnden, zugegeben etwas größer als beabsichtigt geratenen Goldstern entdeckt hatte – aber 17 Regeln sind nun auch wirklich nicht so leicht unterzubringen. Und als ich ihm erklärte, dass das nicht der Stern von Bethlehem, sondern der Walk of Fame wäre, da hat er nichts mehr gesagt, außer: »Keinesfalls«. Und seither hängt er am Balkon neben dem Olivenbaum. Aber ich lasse mich davon nicht entmutigen, denn wie schrieb dieser Karrierecoach noch gleich? Investieren Sie Zeit in Ihre leidenschaftlichen Projekte, weil man nämlich auf diese Weise die GDIGHs (Gut, Dass Ich’s Getan Habe!) kontinuierlich vermehrt, während man die AHIGs (Ach Hätte Ich’s Getan!) auf ein Minimum beschränkt. Wenngleich ich mich frage, wie man die AHIBNG’s (Ach Hätte Ich’s Bloß Nicht Getan) beschränkt, denn die kommen bei mir bisher eigentlich am allerhäufigsten vor. Aber egal, ich bin mir sicher, dass ich das schon noch herausfinden werde, wenn ich erst mal weitergelesen habe.
»Kannst du mich hören?« Eriks Stimme ist vor lauter Rauschen kaum auszumachen, aber zumindest haben wir wieder Verbindung.
»Die Verbindung ist wirklich schlecht!«, versuche ich lautstark gegen die Geräuschkulisse im Hörer anzukämpfen. »Welche Details will Marie denn klären?«, versuche ich mich erneut stimmlich gegen ein Hochtonpfeifen durchzusetzen.
»Das hat sie nicht gesagt,
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