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Hi, Society

Hi, Society

Titel: Hi, Society Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolin Park
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da eine angenehme Stimme zu mir durch. Ich drehe mich um und im nächsten Moment bleibt mir die Luft weg.
    Wie? Das ist er, im Ernst?
    Jetzt mal ohne Spaß, so kann doch kein Politiker aussehen.
    Der passt doch viel eher in eine dieser CSI-Serien oder Werbung für Männerparfum. Oder liegt es bloß daran, dass ich schon viel zu lange keinen Sex mehr gehabt habe? Ich meine, wo sind die Glatze, der Bierbauch, der langweilige Ausdruck im Gesicht? Also jetzt mal ernsthaft, hätte ich gewusst, dass es solche Politiker gibt, würde ich meine Nägel bestimmt nicht immer dann lackieren, wenn die Nachrichten kommen.
    »Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, dass ich unseren Termin kurzfristig hierher verlegt habe?«, sagt er jetzt und streckt mir lächelnd die Hand entgegen, während ich mich darauf konzentriere, meinen Mund geschlossen zu halten und er, ganz der Politiker, gewinnend weiter ausführt: »Tarifverhandlungen! Sie verstehen? Die Sozialversicherungsträger zeigen sich bedauerlicherweise weniger kooperativ als erwartet.«
    Er setzt sich auf das schmale, mit blauer Seide bezogene Bänkchen direkt am Fenster und bestellt einen kleinen Braunen bei Herrn Josef, dem Ober, der eben zu unserem Tisch gekommen ist, und wendet sich dann wieder mir zu.
    »Numeraliaphobie?« Er macht eine bedeutungsvolle Pause. »Sie haben zehn Minuten. Überzeugen Sie mich!« Er macht eine auffordernde Geste und mein Herzschlag beschleunigt sich sogleich, als ich nach dem durchsichtigen Plastikfolder in die Tasche greife und zeitgleich mit der anderen Hand und einer kaum wahrzunehmenden Handbewegung mein iPhone aktiviere.
    »Bisher ist es mehr eine empirische Orientierungsstudie«, erkläre ich und versuche dabei sehr wissenschaftlich dreinzuschauen. Ich schiebe das Kaffeegeschirr ein wenig zur Seite und lege den Folder direkt vor uns auf den Tisch. Darauf platziere ich ein Blatt mit einer höchst komplizierten Tabelle. Die habe ich gestern Abend schnell, während meine Gesichtsmaske einziehen musste, in Excel erstellt, und ich kann nur sagen, sie sieht höchst professionell aus. Ich habe unterschiedlichste Farben verwendet, welche die Studienteilnehmer symbolisieren und welche allesamt in einer sehr komplizierten Legende erfasst sind und mit äußerst komplizierten lateinischen Namen bedacht sind. Überall sind Zahlen eingefügt und darüber steht in einem akademischen Rotton: ›Wissenschaftliche Studie zur Erfassung der Numeraliaphobie in der österreichischen Gesamtbevölkerung 2009.‹
     
    »Dann haben wie viele Probanden bisher an Ihrer Untersuchung teilgenommen?«, sagt er, nachdem ich ihm nun schon eine ganze Weile das Blaue vom Himmel lüge, begleitet von geschickt platziertem Zurechtrücken meiner extra für diesen Termin angeschafften und zudem super intelligent aussehenden Nerd-Brille und allerlei Geblättere in meinen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen.
    »Wie viele Probanden?«, versuche ich möglichst locker mir nicht anmerken zu lassen, dass ich überhaupt gar keine Ahnung habe, weil ich vor lauter Auswahl der 780 Tabellenfarben, nämlich ganz vergessen habe, mir zu überlegen, welche Probanden meiner Studie zu Grunde liegen beziehungsweise wie viele überhaupt.
    »Muss nicht exakt sein. So überschlagsmäßig«, versucht er mich zu beruhigen.
    »Überschlagsmäßig?« Gut. Also da waren Sophie, ich, meine Mutter, Tante Trude …
    »700«, sprudle ich auf einmal zu meinem eigenen Entsetzen hervor, noch ehe ich meine Hand vor den Mund schlagen kann.
    Omg! Wieso habe ich das gesagt, ich muss völlig verrückt geworden sein.
    Obwohl, er schaut überraschenderweise ziemlich begeistert drein.
    »Es könnte sich allerdings noch der eine oder andere kleine Stichprobenfehler eingeschlichen haben«, räume ich vorsichtig ein.
    »Stichprobenfehler?« Er runzelt die Stirn und ich nicke. »Sie wissen schon, im Alpha-Wert oder der Beta-Parabel«, erfinde ich und zu meiner Überraschung scheint ihn das zufriedenzustellen.
    »Sie stehen im Kontakt mit der WHO wegen der Anerkennung im ICD-10?«
    Ich nicke.
    Also an Selbstbewusstsein mangelt es mir ja nicht gerade.
    »Wie sind die Ergebnisse?«
    Ergebnisse? Mist! Welche Ergebnisse! Herrje! Schön langsam, aber sicher werde ich ein klein wenig panisch. Ich meine wie kommt er denn jetzt bloß wieder da drauf? Er kennt sich doch überhaupt nicht aus bei solchen Sachen. Er ist doch Politiker. Das weiß doch schließlich jedes Kind, dass die von nichts eine Ahnung haben,

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