Hi, Society
und mit einem Schlag sind sie vorbei, die Zeiten, in denen ich unbekümmert die Elle lesen, genüsslich einen Schokoriegel verdrücken und mich damit trösten konnte, dass die im wirklichen Leben auch Cellulite haben. Dabei sollte man doch meinen, dass auf 1,20 Meter geschätzter Beinlänge genug Platz dafür wäre.
Oscar Wilde hatte ja so recht: Selig sind die Unwissenden!
Und fürs Protokoll: Niemand hier trägt eine Ray-Ban-Brille oder diese bescheuerte Begrüßungs-Badetasche und schon gar keine Flip Flops.
Ich könnte mich zerwuseln vor Ärger, als ich verstohlen meinen Panamahut aus der Tasche hervorziehe und ihn möglichst unauffällig auf meiner fantasielosen Strandfrisur platziere. »Alles bloß wegen Sophie, weil sie sich so über meinen Schuhkoffer mokiert hat«, verwünsche ich sie im Geiste und versuche meine letzte Energie dafür zu verwenden, mir Mut zuzusprechen, während mich nur noch wenige zaghafte Schritte vom Victoria’s Secret Casting trennen.
»Alles halb so schlimm«, versuche ich mich angestrengt in positivem Denken. »Dann tragen sie eben Doppel D und Perlen um den Hals, dafür habe ich Sinn für Humor und bestimmt sind sie alle sehr nett. Wenn ich mich erst ein wenig mit ihnen unterhalten habe, dann …«,
und im nächsten Moment erstarre ich.
Wie, die tragen High Heels? Am Strand?
Okay.
Ich will nach Hause!
Sofort!
Ich werde Erik sagen, dass ich einen Sonnenstich bekommen habe oder eine Blasenentzündung, egal – irgendwas fällt mir schon ein. Ich werde mich jetzt einfach ganz unauffällig umdrehen und dann schlendere ich völlig locker hinauf aufs Zimmer und erschieß mich!
Ich mache eine ruckartige Halbdrehung, ehe ich meine Schritte beschleunige und im nächsten Moment habe ich so eine Art Wahrnehmungsstörung. Es beginnt ganz unauffällig. Erst denke ich gar nichts Böses, als ich die blonde Bikinischönheit in den Prada-Sandalen sehe und sie für dieses Model aus der Versace-Werbung halte. Ich bin so was von sicher, mich geirrt zu haben, bis auf einmal Gisele Bündchen auftaucht und direkt hinter ihr, mir bleibt die Luft weg –
Jennifer Aniston?
Ich öffne und schließe konzentriert meine Augen, ehe ich nochmals hinsehe.
Okay. Ich glaube, ich muss mich mal kurz setzen!
Ich habe einen akuten Wassermangel oder einen Sonnenstich oder so, weil Jennifer Aniston umarmt jetzt Nicole Kidman?
Und –
Na servus!
Ich leide unter Wahnvorstellungen.
Sie trinken Cocktails, keine 20 Meter von mir entfernt. Da kommt ein Mann direkt auf sie zu. Er trägt ein weißes Hemd, blaue Badeshorts und er sieht haargenau so aus wie:
Nein, das kann nicht stimmen.
Ich brauche dringend ein Glas Wasser. Mit Eis, vielleicht einer kleinen Scheibe Zitrone und … Egal! Einfach nur Wasser. Ich versuche mich auf die Bar zuzubewegen, aber meine Knie zittern wie wild und meine Arme auch, also eigentlich zittert mein ganzer Körper und meine Kontaktlinsen, die dürften irgendwie total verwischt sein, weil ich plötzlich irgendwie ganz verschwommen sehe und komisch, die Leute reden gar nicht mehr. Es ist absolut still. Seltsam! Ich glaube sogar das Meer hat zu rauschen aufgehört. Kann das sein?
Wissen Sie, so eine Ohnmacht ist eigentlich gar nicht so schlecht! Also im ersten Moment war es mir natürlich furchtbar peinlich, dass ich da vor versammelter Mannschaft mit meiner Prolo-Badetasche einfach so umgefallen bin. Aber jetzt sehen Sie nur! Ich habe mir das mühsame Vorstellungsprozedere gespart. Mit einem Schlag kennt jeder meinen Namen und es ist ja gewissermaßen wirklich unverantwortlich, dass man mir einfach Papaya in den Drink mixt, wo ich doch diese seltene Enzymallergie habe, deren Name mir aufgrund des schweren anaphylaktischen Schocks entfallen ist. Genialer Einfall, was?
Das einzig Blöde daran ist diese amerikanische Soap-Opera-Schauspielerin Courtney, die eine kleine Nebenrolle in dem Aniston-Film hat, der hier im Hotel gedreht wird, er heißt glaube ich ›Meine erfundene Frau‹ oder so, deshalb waren auch all die Promis da. Nein, es waren gar keine Hirngespinste. Auf alle Fälle springt diese Courtney doch allen Ernstes auf und hält vor versammelter Mannschaft einen wissenschaftlichen Vortrag über meine erfundene Papaya-Allergie. Können Sie sich das vorstellen? Also da wäre ich vor Schock gleich nochmal in Ohnmacht gefallen. Man sollte doch davon ausgehen können, dass an einer erfundenen Krankheit niemand anderer leidet außer man selbst, oder? Na jedenfalls weiß ich
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