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die Brust und zog seine Pistole aus dem Schulterholster.
Er hielt sie an Nicks Schläfe.
»Waffe weg«, sagte Sam. Er trat vor mich, die Pistole auf Trev gerichtet. Cas kam von der anderen Seite, auch er mit der Waffe im Anschlag.
Ich hatte gar nicht reagiert. Trev war immer eher der Ruhige, Besonnene gewesen, der Kluge, der lieber mit Worten als mit Fäusten kämpfte. Entweder hatte er in den vergangen Monaten bei der Sektion viel dazugelernt oder aber er hatte uns über die Jahre noch viel mehr verschwiegen als seine tatsächliche Mission.
»Wir stehen jetzt auf unterschiedlichen Seiten, schon kapiert«, sagte Trev, die Waffe nach wie vor auf Nick gerichtet, obwohl seine Worte auf Sam abzielten. »Aber das heißt auch, dass ich mir seine polemischen Bemerkungen nicht länger gefallen lassen muss.«
Cas kicherte. »Ich glaube, Nick weiß nicht mal, was polemisch überhaupt bedeutet.«
»Runter von mir!«, stieß Nick zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Trev stand ganz langsam auf, schob die Pistole zurück ins Holster und zupfte dann seinen Mantel zurecht, sodass man die Waffe darunter nicht mehr erkennen konnte.
Ich hob den Umschlag auf, der während des Gerangels im Schnee gelandet war. Ich löste die Klammern, öffnete die Lasche und warf einen Blick hinein. Darin befand sich ein schmaler Papierstapel, der zusammengeheftet worden war.
»Da findet ihr den Namen und die Adresse des Labors«, erläuterte Trev. »Außerdem hab ich euch eine Kopie des Bauplans reingetan, damit ihr euch richtig vorbereiten könnt und keinen Hinterhalt riskiert.«
Sam stellte sich hinter mich und las über meine Schulter mit.
»Die Labore wurden nach dem griechischen Alphabet benannt«, fuhr Trev fort. »Unseres hieß Alpha. Das Beta-Labor wurde geschlossen, noch bevor wir ausgebrochen sind. Da ist mit den Medikamenten was schiefgelaufen, irgendwie war die AD noch nicht außerhalb unserer Gruppe einsetzbar.«
»Du sagst die ganze Zeit ›uns‹, als hätte es jemals ein ›uns‹ gegeben«, sagte Sam.
Trev fuhr sich durchs Haar. »Na schön. Euch. Eure Gruppe. Das Kappa-Labor war jedenfalls kaum in Gang, als es zu einem Zwischenfall kam.«
»Zu was für einem Zwischenfall?«, fragte ich.
Trev schüttelte den Kopf. »Das verrate ich euch nicht.« Er gab mir nicht mal die Möglichkeit, weiter nachzuhaken, sondern fuhr einfach fort. »Es gibt gerade nur noch ein aktives Labor: Delta. Wenn Dani irgendwo festgehalten wird, dann wohl dort.«
»Bist du sicher, dass sie nicht im Hauptquartier der Sektion versteckt wird?«
Er nickte. »Da war ich erst gestern. Wenn sie dort wäre, wüsste ich davon.«
»Warum? Bist du jetzt so was wie Rileys rechte Hand?«, fragte Nick.
Trev wirkte, als würde er liebend gern die Augen verdrehen, tat es aber nicht. »Nein, ich bin der Leiter der Aufnahmeabteilung.«
Mir wollte die Kinnlade runterklappen, was ich gerade noch verhindern konnte. »Leiter der Abteilung?«
»Nur der Aufnahmeabteilung«, wiederholte er, als würde das sein Geständnis irgendwie schmälern.
»Weiß Riley von dem Speicherstick, den du uns gegeben hast?«
»Nein.«
»Verdächtigt er dich denn gar nicht? Ich meine … Du hast über fünf Jahre mit uns verbracht. Du …« Ich verstummte, weil mir nichts einfiel, das nicht total jämmerlich geklungen hätte.
Trev starrte mich einfach nur an. Seine Brauen entschuldigend und bedauernd zusammengezogen.
Wind pfiff über das Feld. Die Rotorblätter nahmen Geschwindigkeit auf.
Wupp , wupp , wupp .
Ich erschauderte. »Wir müssen jetzt weiter.«
Trev nickte. »Schon klar.«
Ich drehte mich zu unserem Wagen um. Sam stand schon dort und hielt mir die Tür auf. Nick und Cas blieben bewusst zwischen Trev und mir.
»Anna?«, rief Trev. Ich blieb stehen und schaute ihn über die Schulter hinweg an. Innerlich bereitete ich mich auf eins seiner Zitate vor. Ich wollte so gern eins hören. Wollte ein Zeichen dafür, dass sich zumindest eine Facette von dem Trev, den ich gekannt hatte, noch irgendwo unter dem teuren Anzug und dem maßgeschneiderten Mantel verbarg.
Aber er sagte nur: »Ich hoffe, du findest sie.« Bevor er in seinen Wagen stieg.
9
Da wir keine sichere Rückzugsmöglichkeit mehr hatten, mussten wir uns mit der nächstbesten Alternative zufriedengeben: dem International House of Pancakes . Restaurantketten boten gemeinhin die beste Deckung, weil dort immer viel los war und wir in der Menge untertauchen konnten. Gleichzeitig waren wir vor einem
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