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könnte ich dir das nicht mal verübeln.«
Wollte ich das Risiko eingehen?
Ich wollte mehr über meine Familie wissen, weil ich damit rechnete, so auch mehr über mich zu erfahren. Aber allein der Umstand, dass Dani lebte, obwohl sie eigentlich tot sein sollte, ließ bei mir alle Alarmglocken schrillen. Was hatte die Sektion bloß mit ihr vor? Wo hatte sie all die Jahre gesteckt? Und was noch viel wichtiger war, wusste sie, dass ich mit Sam zusammen war? Und wenn sie es nicht wusste, was würde sie davon halten?
»Vielleicht sollten wir erst mal herausfinden, wohin sie sie gebracht haben«, sagte ich.
Es wurde grün, Sam fuhr an. Der Schneematsch wurde laut in die Radkästen geschleudert, während der Wagen in der Kurve Fahrt aufnahm.
»Ja, genau, machen wir das.« Nick knackte mit einem Fingerknöchel. »Wieso rufen wir nicht gleich bei Riley an und fragen, wo er sie festhält?«
»Wollen wir?«, sagte Cas. »Riley und ich sind ja total gute Kumpels. Ich hab ihm extra ‘ne Kurzwahl zugeordnet.«
»Du bist so ein unverbesserlicher Vollidiot«, zischte Nick.
»Oder aber«, fuhr Cas fort, »wir rufen Trev an. Der hat uns schließlich eine Notfallnummer auf dem Speicherstick mitgeliefert. Wie wär’s, wenn wir die einfach mal nutzen?«
Nick schnaufte. »Ein weiterer Beleg dafür, was für ein Vollidiot du bist.«
Sam warf mir einen schnellen Blick zu. »Was meinst du?«
Ich starrte aus dem Seitenfenster. Ein paar Schneeflocken waren an der Scheibe geschmolzen und liefen nun als Tropfen daran hinunter. »Trev würde uns vermutlich helfen«, sagte ich leise, weil ich fürchtete, wenn ich lauter sprach, wäre es weniger wahr. Ob er sich wohl verändert hatte in den vergangenen Wochen? Ich fürchtete mich davor, es herauszufinden. Aber noch mehr fürchtete ich mich davor, dass er uns abweisen würde. Wenn er das tat, sagte das praktisch nur eins in aller Deutlichkeit: Ich hätte ihn für immer verloren. Der Gedanke erfüllte mich mit einer unglaublichen Leere.
»Der wird uns nur wieder eine Falle stellen«, sagte Nick.
Die Möglichkeit gab es natürlich auch noch. Und sie war sogar noch viel schlimmer, als uns abzuweisen.
»Du musst ja nicht mitmachen«, erwiderte ich.
Ich wollte, dass wir zueinanderhielten. Zusammen sind wir stark und so. Aber hier ging es um meine Familie. Wenn ich Dani nicht helfen konnte, war ich keinen Deut besser als die Sektion. Vielleicht wurde sie gar nicht meinetwegen gequält, aber war es nicht umso grausamer, sie einfach dort ihrem Schicksal zu überlassen? Ich wollte mir nicht mal vorstellen, was sie ihr alles antun würden, nur um herauszufinden, was sie wusste.
Und mehr als alles andere wollte ich sie mit eigenen Augen sehen, die Bestätigung haben, dass es sie wirklich gab.
Irgendwo da draußen war meine Schwester. Meine letzte leibliche Verwandte.
Ich konnte sie nicht einfach hängen lassen.
8
Ich hielt das Prepaid-Handy in der Hand und starrte auf das leere Display. Sam saß neben mir, Cas gegenüber von uns beiden an einem Tisch im hinteren Teil eines kleinen Restaurants namens Elkhorn Original . Im vorderen Teil gab es Nischen, in denen man zwar grundsätzlich ungestörter und unbeobachteter war, die man aber auch im Fall der Fälle wesentlich schlechter verlassen konnte. Eine weitere Lektion von Sam.
Nick wartete auf der gegenüberliegenden Straßenseite einsatzbereit auf einer Bank. Ich konnte ihn von hier aus zwar nicht sehen, aber ich ging einfach mal davon aus, dass er dort war. Auch wenn er die Sache in diesem speziellen Fall anders sah, war er sonst überwiegend mit uns einer Meinung. Diesmal hatte die Mehrheit entschieden und ihn überstimmt.
Drei dampfende Kaffeebecher standen zwischen Sam, Cas und mir, trotzdem schien keiner von uns übermäßig durstig zu sein. Sam zerkaute das Pfefferminzbonbon, das er bis dahin gelutscht hatte.
»Sobald er drangeht, sofern er überhaupt drangeht«, sagte Sam, »hast du zwei Minuten. Maximum. Sonst besteht die Gefahr, dass sie den Anruf erfolgreich zurückverfolgen und uns orten. Frag, was du fragen musst, wenn er nicht zufriedenstellend antwortet, legst du auf. Ohne zu zögern.« Sam beugte sich näher zu mir. Ich starrte noch immer auf das Telefon. Er legte mir die Hand aufs Knie und drückte leicht zu.
»Das wird schon gut gehen«, versprach er.
Trev hatte zu den ganzen Sektionsdaten noch eine Datei mit dem Namen FUER DEN NOTFALL auf den Speicherstick gespielt. Es war eine einfache Textdatei, in der nichts weiter
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