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Hier hat s mir schon immer gefallen

Titel: Hier hat s mir schon immer gefallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx Melanie Walz
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ein Teleskop, wie Rose wusste.
    Für Queeda Dorgan empfand Rose Bewunderung und Verachtung zugleich. Gierig nahm sie jede Einzelheit der schönen Kleider auf, die Brosche mit Feueropal, die Satinschuhe und die kessen Hüte, die auf der staubigen Station so köstlich unpassend wirkten, doch sie wusste, dass Miss Etepetete ihre blutigen Menstruationslappen wie alle anderen Frauen auswaschen musste, auch wenn sie sie zu verstecken versuchte und nachts oder in Kissenhüllen aufhängte. Unter den Seidenröcken musste auch sie sich mit tropfenden Windeln aus alten Bettlaken abfinden, deren verkrustete Ränder an den Schenkeln rieben und in denen sich die Schamhaare verfingen. Zu diesen Zeiten übertönte der animalische Geruch Queedas parfümiertes Bollwerk. Mrs. Dorgan war für Rose eine eisenharte Feindin mit zwei Gesichtern, liebreizend in der Öffentlichkeit, unflätig im Privaten. Sie hatte gesehen, dass die Frau wie ein Fuhrknecht auf den Boden spuckte und ihr Geschlecht an der Tischkante rieb, wenn sie sich unbeobachtet wähnte. Da Mrs. Dorgan sich für etwas Besseres hielt, ignorierte sie die Mealors genauso wie den verachtenswerten Hagestolz, der an seinem Telegrafen klapperte oder, wie er es nannte, nach Sternbildern Ausschau hielt.
     
    In der kleinen Hütte flocht Rose jeden Morgen ihr glattes braunes Haar, betupfte es mit Fliederwasser aus dem blauen Flakon, den Archie ihr zur Hochzeit geschenkt hatte, und legte es als Krone um ihren Kopf, so wie Queeda Dorgan ihr Haar aufsteckte. Abends löste sie ihr Haar, und man konnte den Duft riechen. Sie wollte nicht so werden wie die Siedlerfrauen, die nach Schweiß stanken und ihr fettiges Haar zum Knoten zusammenwürgten. Archie hatte kastanienbraune Locken, und Rose hoffte, dass ihre Kinder seine Locken und seine hübschen Züge mit den roten Wangen erben würden. Sie schnitt ihm das Haar mit einer Handarbeitsschere, die eine Reisende aus der Postkutsche vor Jahren an der Station verloren hatte und deren silberne Griffe wie gebogene Kranichhälse geformt waren. Aber es war schwer, sauber zu bleiben. Queeda Dorgan hatte an der Station nicht viel anderes zu tun, als sich zu putzen, zu waschen und zu schmücken, doch Rose musste in ihrer Hütte schwere Kessel schleppen, Feuerholz zerkleinern, Brot backen, Töpfe scheuern, draußen den steinigen Boden umgraben, wo sie einen Garten anlegen wollten, und Wasser holen, wenn Archie nicht da war. Im ersten Winter fror zu ihrem Glück der Fluss nicht ein. Zum Waschen und Geschirrspülen und Putzen benötigte Rose vier Eimer Wasser täglich, die vom Little Weed geholt werden mussten, wobei jedes Mal die Enten aufgescheucht wurden, die in dem nahen Nebenarm ihre Geschäftstreffen abzuhalten pflegten. Auch Archie versuchte sie sauber zu halten. Wenn er den ganzen Tag Pecks Kühe oder in der Wüste Wildpferde gejagt hatte, kam er mit Bartstoppeln im Gesicht, einem Hals voller Schnakenstiche, verdreckten und zerschundenen Händen, abgebrochenen Nägeln und stinkenden Füßen nach Hause. Sie zog ihm die Stiefel aus, wusch seine Füße in der emaillierten Spülschüssel und trocknete sie mit einem sauberen Futtersack ab.
    »Wenn du Strümpfe hättest, würde es weniger stinken«, sagte sie. »Wenn ich Stricknadeln und Garn hätte, könnte ich dir Strümpfe stricken.«
    »Mrs. Peck hat mir mal welche gestrickt. Nach einer Stunde war das erste Loch drin. Und sie verdrehen sich in den Stiefeln. Unnützes Zeug, diese Strümpfe.«
    Zum Abendessen gab es Wildhackbraten oder gebackenes Steppenhuhn, das Rose geschossen hatte, Hagebuttengelee und frischgebackenes Brot, aber keine Bohnen, die laut Archie das Hauptnahrungsmittel bei Pecks bildeten, einst wie jetzt. Ab und zu ritt ihr Nachbar Tom Ackler zum Abendessen zu ihnen herunter, manchmal in Begleitung seiner gelben Katze Gold Dust, die hinter ihm auf dem Sattel hockte. Während Tom redete, hockte Gold Dust vor dem Holzstapel und versuchte, das Wiesel zu erwischen. Rose mochte den schwarzäugigen, fast kahlköpfigen Goldsucher, und sie fragte ihn, was der goldene Ohrring an seinem linken Ohrläppchen bedeutete.
    »Bin früher um die Welt gesegelt, Mädelchen. Das Ohr ist backbord, und der Ring sagt denen, die Bescheid wissen, dass ich östlich von Kap Horn war. Und wer nach Osten gelangt, war vorher im Westen. War überall auf der Welt.« Er hatte ein reiches Repertoire an Geschichten von Stürmen, heftigen Orkanen und südlichen Taifunen, von Wasserhosen und Walen, die wie Forellen aus

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