Hier kommt Hoeneß!
später stand beinahe der ganze Saal.
7. Elf Feinde müsst ihr sein
Die erste Frage geht wie selbstverständlich an Uli Hoeneß. Er sitzt ja auch sehr prominent platziert, direkt neben der Moderatorin Maybrit Illner, zu ihrer Rechten. Drei Tage vor der Bundestagswahl 2009 lädt Illner zum Polit-Talk im ZDF ein. Hoeneß war schon oft bei Illner, da holt er sogar die ungeliebte Krawatte hervor, eine rote.
Der Moderatorin zur Linken sitzt Edmund Stoiber, ehemals bayerischer Ministerpräsident und immer noch Vorsitzender des Verwaltungsbeirates des FC Bayern – ein Hoeneß-Verbündeter im (Politik-)Geiste. Ihre gemeinsame Leidenschaft ist es, Kommentare im Kernkompetenzbereich des anderen abzugeben. Um das Zentrum der Diskussion, um die Gesprächsleiterin Illner, flankiert von Hoeneß und Stoiber, hat die ZDF-Redaktion einen Halbkreis der Opposition gebildet. Neben den beiden CSU-Vertretern sitzen auf der einen Seite die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt (SPD) und die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Die Grünen), beide von Parteien, die Hoeneß in etwa so schätzt wie den TSV 1860 München. Ganz rechts außen Extennisprofi und FDP-Wähler Michael Stich und direkt neben Hoeneß – welch großartige Idee der Redaktion– der linke Publizist und Autor Günter Wallraff.
Zurück zum Anstoß, zur ersten Frage. Hoeneß bekommt den Ball von Illner zugespielt und ruft als Erstes dazu auf, zur Wahl zu gehen. Schon längst habe er selbst Briefwahl gemacht. Er spricht wie selbstverständlich über Politik, als wäre es das Normalste der Welt, ihn zu solch einer Runde einzuladen. Er wird kurz als Manager des FC Bayern vorgestellt, eine Frage zum Fußball bekommt er in den 60 Minuten aber nicht. Als würde man Edmund Stoiber bei »kicker.tv« nur zu Cristiano Ronaldo, Joachim Löw und der Nationalmannschaft befragen. Aber Hoeneß gefällt sich in der Rolle, denn die Politik ist sein Steckenpferd. Wäre er nicht Bayern-Manager geworden, dann wohl CSU-Politiker. Vielleicht Wirtschaftsminister? Oder hätte er gar noch höhere Ämter angestrebt? Wer weiß – allerdings immer unter der Voraussetzung, Franz Beckenbauer wäre nicht angetreten. »Der Kaiser ist der Einzige, der für die PDS in Bayern ein Direktmandat holen könnte«, witzelte einst Kabarettist Ottfried Fischer.
Hoeneß und die Politik – die »Neue Züricher Zeitung« erkundigte sich im April 2009, ob er denn nie mit dem Gedanken gespielt habe, in die Politik zu gehen. »Das habe ich mir oft überlegt«, antwortete er, »aber ich bin jetzt schon ein Gefangener der Gesellschaft. Ich bin eng befreundet mit Edmund Stoiber. Jedes Mal, wenn er mich besucht, hat er vier Bodyguards dabei. Ich bin sowieso schon bewacht von Millionen Menschen, die mich beobachten, wenn ich dann noch in die Politik ginge … Wäre ich zehn Jahre jünger und hätte ich den Erfolg im Fußball schon gehabt, würde es mich reizen.« Und so gefällt es ihm, der früher gerne Franz Josef Strauß oder Herbert Wehner bei Übertragungen von Bundestagsdebatten zuhörte, dabei zu sein, mitzudiskutieren in solchen Runden.
Im Mai 2009 war er schon einmal bei Illner zu Gast, an der Seite von Oskar Lafontaine (Die Linke) und Wirtschaftsminister zu Guttenberg (CSU). Hoeneß agiert bei diesen Auftritten nie defensiv und – um es im Fußballjargon auszudrücken – geht früh auf den meinungsführenden Akteur drauf, spielt verbales Pressing und versucht, dem Argumentationsgegner seine Ansicht aufzuzwingen. Weil er zu direkt ist, blieb ihm der Weg in die große Politik verwehrt – so seine Denke: »Ich weiß nicht, ob man mit meiner Art – ich sag ja jedem meine Meinung, ob das der Bundespräsident ist oder unser Platzwart – in der Politik hochkäme. Wer oben ist, kann sich das vielleicht leisten. Aber um hochzukommen, musst du ein Jasager sein, und das bin ich nicht.«
In der ZDF-Runde drei Tage vor der Wahl sorgt Hoeneß für Emotionen. Er ist der lauteste Verkäufer seiner Argumente, der engagierteste und unterhaltsamste Teilnehmer. So gesehen, hat er seine Rolle voll erfüllt: Er polarisiert, er bringt Emotion und Würze rein. Er sieht sich als Stimme des Volkes, als Anwalt des kleinen Mannes, den er auch immer wieder so bezeichnet, und als argumentativen Leibwächter von (Partei-)Freund Stoiber. Die Unternehmer in Deutschland fordert Hoeneß zum Umdenken auf. Sie sollten so arbeiten, dass es zuerst »dem Arbeitnehmer gut geht und dann dem Aktionär«. Dieser Grundsatz
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