Hier kommt Hoeneß!
sagte: ›So, meine Herren, einmal für alle.‹ Wir wussten Bescheid. Er hat nicht immer sofort eine Summe genannt, oft wurden Prämienpakete geschnürt. Etwa: Für zwei Siege in der Bundesliga und ein Weiterkommen im DFB-Pokal gibt es x-tausend Euro. War man erfolgreich, wurde man bestens entlohnt. Da gibt es keinen großzügigeren Verein als den FC Bayern.« Doch nicht mal Extraprämie half. Selten zuvor in seinen da schon 28 Managerjahren hatten ihn die Spieler so sehr enttäuscht wie an jenem Tag im April. »Was sehe ich auf dem Rasen? Teilweise lustlose, offenbar satte, jedenfalls nicht bedingungslos fightende Spieler«, erinnert sich Hoeneß in einem Interview mit dem »Zeit Magazin«, »da habe mir geschworen, dass für diejenigen, die unseren Einsatz nicht durch totales Engagement zurückgeben, in diesem Verein kein Platz mehr ist. Da habe ich gemerkt, dass du mit deiner Menschlichkeit nicht unbedingt immer weiterkommst.«
Hoeneß schlich mit gesenktem Kopf durch die Katakomben des Stadions, wütend. Aber er sagte nichts. Erst später: »In dieser Phase hatte ich die Schnauze voll. Ich habe immer meinen Kopf für die Jungen hingehalten. Aber da haben die so erbärmlich gespielt, wie Angsthasen. In der Halbzeit habe ich gedacht: So, am Montag fangen wir an einzukaufen.« Erst durch dieses 0 : 2 war es zum Strategiewechsel der Bosse gekommen, zum Jagdfieber nach Ribéry, Toni und Klose. Hier noch einmal die Mannschaft, die es möglich gemacht hatte – manche Fans werden ihr heute noch dankbar sein, sonst hätten sie die Kunststücke eines Ribéry, die Tore eines Luca Toni nie bejubeln können. Die Umbauhelden: Kahn – Lell, Lucio, van Buyten, Lahm – Salihamidzic, Hargreaves, van Bommel, Santa Cruz – Podolski, Makaay. Eingewechselt: Pizarro, Görlitz, Karimi. Sieben Spieler dieser Mannschaft mussten den Verein schließlich verlassen.
Es ist der Job eines Managers, Spieler einzukaufen und zu verkaufen. Viele Volltreffer waren in all den Jahren dabei. Bei manchen Transfers konnte man jedoch den Eindruck bekommen, die bajuwarischen Einkäufer handelten nach zwei Prinzipien. Erstens: Bevor ihn die Konkurrenz kauft, nehmen wir den Mann. Und zweitens: Wer uns im direkten Duell ärgert, wird sofort verpflichtet. Mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Die Hoeneß sich stets mehr als alle anderen zu Herzen nimmt. Es geht schließlich um seinen Verein, dem er seit 40 Jahren angehört, um sein Lebenswerk.
Der FC Bayern und Uli Hoeneß – diese Kombination gibt es nicht ohne Emotionen. Nicht ohne totale Leidenschaft. Dieses gezogene »totaaaal« ist im Bayern-Jargon das Adjektiv für so vieles, ist eines der von Hoeneß am häufigsten verwendeten Worte. Uli Hoeneß gibt es nur selten in der bedächtigen, in der moderaten Version. Mal heiß- und mal kaltblütig, mal aufbrausend, mal beruhigend. Mal voller Zorn, dann doch auch der ruhende Pol des Vereins. Mal geht mit ihm der Choleriker durch, im nächsten Moment gewinnt der Analytiker die Oberhand. Ein Leben in Extremen, ständig am Anschlag, im Job immer auf Betriebstemperatur, nur zu Hause auf dem Sofa manchmal im Stand-by-Modus. Adrenalin ist sein Körperbenzin. Doch was ist die Quelle, was ist der Ursprung seiner Rastlosigkeit, seines Ich-kann-nicht-anders?
Der Flugzeugabsturz ist es nicht, beteuert Hoeneß immer wieder. Dass er überlebt hat, habe vielmehr seine sozialen Instinkte geschärft, gegenüber denen, die es nicht so gut erwischt haben im Leben. Es war ein anderes »Schlüsselerlebnis«, wie er sagt. Eines, das seine Karriere beenden sollte, jedoch der Anfang war für sein neues Leben. Als er 1979, mit 27 Jahren, geplagt von seinem Kreuzbandriss und schon mehrfach operiert, auf der Massagebank von Josef Saric lag, sagte der zu ihm: »Uli, du musst aufpassen. Sie wollen dich verkaufen, sobald du wieder laufen kannst.« Saric hatte ein Telefonat zwischen Präsident Neudecker und Manager Schwan belauscht. Wenige Monate später musste Hoeneß seine Karriere beenden. Doch er war tief gekränkt, und diese Kränkung prägte seinen zukünftigen Führungsstil. »In dem Moment auf der Massagebank dachte ich: Das wird es bei mir später nicht geben, dass einer, der gerade schwach ist, Angst um seinen Arbeitsplatz haben muss. Starken muss man manchmal Angst machen, aber Schwache einschüchtern? Das bringen nur Schwache fertig.«
Kurz darauf ergriff Hoeneß die Chance, Manager zu werden. Er verfolgte seine Ziele mit noch größerem Ehrgeiz als zu seiner Zeit als
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