Hier kommt Hoeneß!
Double. In über 100 Jahren Vereinsgeschichte hatten die Münchner das Double zuvor auch nur dreimal (1969, 1986, 2000) gewonnen. Die nationale Bilanz mit Ballack hätte kaum besser aussehen können, aber in der Champions League scheiterte der Klub mit Ballack einmal im Viertelfinale, zweimal im Achtelfinale und einmal sogar schon in der Vorrunde. Bei den Bayern-Fans war der Sachse Ballack nie so richtig angekommen, zu sehr stand er im Schatten von Oliver Kahn oder Mehmet Scholl, außerdem trauerten die Anhänger den rustikalen Führungsqualitäten des Stefan Effenberg nach.
Dennoch begannen im Sommer 2005 Gespräche über eine Vertragsverlängerung über 2006 hinaus. Das Problem damals aus Sicht der Bayern: Würde Ballack im WM-Sommer wechseln, wäre er ablösefrei. Ballack äußerte sich taktisch geschickt: »Ich spiele bei einem Top-Klub, das weiß ich zu schätzen. Die Möglichkeit, hier zu verlängern, ist auch eine sehr schöne Möglichkeit. Aber ich kann mich noch mal verändern.« Die Bayern kämpften. Für sie war es eine Prestigesache, die Angebote von Real Madrid, dem FC Chelsea oder AC Mailand zu kontern. »Wir werden alles tun, den wichtigsten deutschen Spieler beim FC Bayern zu halten«, sagte Rummenigge. Doch Hoeneß war seltsam still in diesen Tagen. Über den Herbst setzten sich die Parteien gegenseitig Fristen, es war ein wildes Hin und Her, man vertagte immer wieder und setzte sich immer wieder zusammen. Am 14. November 2005 kommt es dann zum Eklat. Auf der Jahreshauptversammlung bei Biersponsor Paulaner am Nockherberg verkündet Vorstandsboss Rummenigge in seiner Rede: »Wir haben unser Angebot heute offiziell zurückgezogen!« Beifall. Als der sich gelegt hat, fährt Rummenigge fort: »Wir haben uns heute mit Michael und seinem Berater getroffen. Wir haben vor vier Wochen vereinbart, dass sich Michael heute erklärt oder wir unser gutes und gesichertes Angebot zurückziehen. Das ist heute passiert, nachdem Michael uns mitgeteilt hat, dass er noch keine Entscheidung getroffen hat.« Beifall, Jubel. Rummenigge zum Dritten: »Das heißt nicht zwangsläufig, dass Michael uns verlassen wird. Aber ich sage klipp und klar, dass wir ab sofort den Markt sondieren werden, um nach Alternativen Ausschau zu halten.« Beifall, Jubel, Gegröle. Damit war Ballacks Abschied besiegelt. Und die Gegenseite war massiv verärgert. »Dabei hatten wir die Presseerklärung zum Stand der Verhandlungen vorher im Detail miteinander abgestimmt«, wundert sich Becker heute noch, »und dann trifft mich fast der Schlag, als der Herr Rummenigge das in dieser Bierzeltatmosphäre vor zum Teil alkoholisierten Mitgliedern so anspricht. Ich denke, das war Kalkül, dass die Botschaft so populistisch verkündet wird. Das war eine unschöne Geschichte, das ging gar nicht.« Hoeneß sagt an diesem Abend kein Wort.
Am nächsten Tag rief Becker bei Rummenigge an und beschwerte sich. Ballack habe sich immer korrekt verhalten. Außerdem sei Rummenigge doch 2001 mit im Raum gewesen, als Hoeneß zu Ballack sagte, er könne auch noch nach Abschluss seines Vierjahresvertrages, nach der WM 2006 in Deutschland, ins Ausland wechseln. Für Becker war dieser Vorschlag von Hoeneß der Grund, dass sich der Manager in dieser Kontroverse stets zurückhielt und es immer der Vorstandsboss war, der vorpreschte. Eines aber stand fest: Das Verhältnis zwischen Bayern und Ballack war nicht mehr zu kitten. »Dabei hatte es wirklich eine Chance gegeben, dass Michael doch bleibt«, erzählt Agent Becker, »er lebte mit seiner Frau und den Kindern in einem schönen Haus am Starnberger See, die Familie fühlte sich dort wohl. Sie hätten es sich für ein paar weitere Jahre dort bequem machen können.« Doch »Balle«, wie ihn Becker stets nennt, glaubte nicht mehr daran, dass die Bayern in Kürze wieder die Champions League gewinnen könnten.
Ballack hatte ein Vertrauensverhältnis zu Hoeneß aufgebaut, man duzte sich sogar, der Manager hatte ihn immer fair behandelt. Daher scheute sich Ballack in den Wochen der Unsicherheit in den zweiten Stock der Geschäftsstelle zu gehen. »Wenn ich da hochgehe, ins Büro von Uli Hoeneß, komme ich mit einem neuen Vertrag wieder heraus.« Am 1. Juli 2006 wechselte er dann zum FC Chelsea. Ablösefrei. England, die Premier League, ein Magnet für viele Stars.
Dass vor Ballack nicht auch Oliver Kahn auf die Insel gewechselt war, hat nur ein Mann verhindert: Uli Hoeneß. Der Torhüter war fest entschlossen, den FC Bayern nach
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