Hier kommt Hoeneß!
Profi. Das Kuriose war: Er verhandelte fortan zum Teil mit Spielern, die älter waren als er. Wäre die Knieverletzung nicht gewesen, hätte er noch für den FC Bayern auf dem Platz stehen können. Mit seinem Freund Paul Breitner. Er hätte viel Geld verdienen können. Wie Franz Beckenbauer, wie Gerd Müller, vielleicht sogar in den USA. Geplatzte Träume.
»Für mich kommt dieser wahnsinnige Ehrgeiz von Uli Hoeneß daher, dass er seine Karriere viel zu früh beenden musste«, sagt Oliver Kahn, »das ist der Ursprung all seines Handelns als Manager. Die Frage ist nur: Hätte er sich sonst anders entwickelt?« Kahn zuckt mit den Schultern. Der Torwart wollte diesen Weg nicht gehen, nicht der direkte Nachfolger von Uli Hoeneß werden. Ausgerechnet Kahn, der in seiner Karriere für das »Immer weiter! Immer weiter!« stand, wollte sich diesen Job nicht antun. »Beim FC Bayern und in der Person Uli Hoeneß ist dieses gnadenlose Erfolgsdenken verinnerlicht – nur der erste Platz zählt. Sonst nichts. Sonst ist es gleich eine Katastrophe.«
Auch Hitzfeld litt unter dem ständigen Druck des Siegenmüssens: »Dieses Gefühl ist permanent. Man entkommt ihm nicht. Nach einem gewonnenen Spiel denkst du sofort: Wie kann ich das nächste gewinnen? Was muss ich tun? Man fühlt sich wie in einer Mühle. Ein Jahr beim FC Bayern ist wie zehn Jahre bei einem anderen Verein. Es ist sehr schwer, wenn man mittendrin ist, die schönen, die erfolgreichen Momente zu genießen.« Und so war Hitzfeld im Jahr 2001, nach dem Champions-League-Sieg, auf dem Gipfel, bereit, seinen Rücktritt zu erklären. Nur zwei Tage nach dem Triumph von Mailand starten die Bayern, noch schwer verkatert, einen Trip nach New York. Der Manager hat mal wieder ein lukratives PR-Spiel ausgemacht. Auf dem Flug setzt sich Hitzfeld zu Hoeneß, sagt, er möchte etwas besprechen. »Ich habe ihm angeboten aufzuhören. Ich wollte das wirklich«, erzählt Hitzfeld. »Diese drei Jahre seit 1998 hatten mich enorme Kraft und Nerven gekostet. Außerdem wusste ich, dass von nun an die Luft nur noch dünner werden konnte, wir hatten ja alles gewonnen, und daran würden wir gemessen werden.« Hätte Hoeneß eingewilligt, die Ära Hitzfeld wäre nach nur drei Jahren mitten über dem Atlantik zu Ende gegangen. Doch Hoeneß ließ nicht mit sich reden. Nicht einmal diskutieren. »Uli war überrascht und ein wenig aufgebracht über meine für ihn absurde Idee und sagte nur zu mir: ›Ottmar, das kommt überhaupt nicht infrage. Du hast einen Vertrag hier. Wir brauchen dich.‹ Er hat das Gespräch abrupt abgebrochen.«
So ist es vielen ergangen, die mit Hoeneß über einen Abschied oder über ein Angebot eines anderen Vereins reden wollten. Auch Michael Ballack, dem Kapitän der Nationalmannschaft. Er war einer der umstrittensten Spieler, die je das Bayern-Trikot getragen haben. Schon 1999, als Ballack noch für den 1. FC Kaiserslautern spielte, gab es den ersten Kontakt mit Uli Hoeneß. Doch in der Elf der Bayern herrschten damals Effenberg und Matthäus, Ballack zog es vor, zu Bayer Leverkusen zu wechseln. Sein Berater Michael Becker erzählt: »Als Michael dort einen Fünfjahresvertrag unterschrieb, fragte mich Uli Hoeneß mal nebenbei, ob es denn eine Ausstiegsmöglichkeit gäbe. Er beantwortete sich die Frage selbst: ›Also, wenn ich den Vertrag gemacht hätte, dann nach der WM 2002.‹ Ich nickte und sicherte ihm zu, dass wir in Kontakt bleiben.«
Im November 2001 kam Hoeneß wieder auf Becker zu: »Er bestätigte mir noch einmal, dass es richtig war, nicht schon 1999 zu Bayern zu wechseln, dass es aber im Sommer 2002 genau der richtige Zeitpunkt wäre.« Es gab nur ein Problem, erzählt Becker: »Damals gab es auch ein Angebot von Real Madrid. Ich war mehrmals dort, wir waren schon sehr weit. Aber Hoeneß redete auf Michael ein, riet ihm, dass er doch vor der WM 2006 in Deutschland spielen solle. Und dass es nach der WM doch noch früh genug sei, um zu Real Madrid zu wechseln.« Also blieb Ballack in Deutschland, und Bayern verpflichtete ihn zum 1. Juli 2002. Wieder einmal hatte die Überzeugungskraft von Hoeneß gewirkt. Seine Stärke ist das Vieraugengespräch. Hoeneß hatte Ballack von der WM 1974 im eigenen Land vorgeschwärmt, er hatte gemeint, dass es Unsinn sei, vorher im Ausland zu spielen. Ballack war beeindruckt und unterschrieb.
Dreimal in vier Jahren, 2003 unter Hitzfeld, 2005 und 2006 unter Trainer Felix Magath, holte der FC Bayern mit Michael Ballack das
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