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Hier kommt Hoeneß!

Hier kommt Hoeneß!

Titel: Hier kommt Hoeneß! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pattrick Strasser
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mit starrem Blick stumm an die Decke schaute«, erinnert sich Kahn. »Wir alle standen unter Schock. Ich dachte, mich hat einer angeschossen.« Die Kabine war ein Gruselkabinett. Beklemmendes Schweigen auf rund 100 Quadratmetern. »Ich wünschte, ich hätte heulen können. Ich konnte nicht. Stattdessen war ich wie gelähmt«, erzählt Kahn, als spreche er von einem Trauerfall in der Familie. »Jeder war mit sich selbst beschäftigt.«
    Basler ist sofort nach dem Abpfiff in die Kabine geflüchtet, hat sogar auf die Siegerehrung verzichtet. Beckenbauer und Rummenigge gehen in der Kabine stumm auf und ab, halten sich hier und dort mal fest, einige weinen möglichst geräuschlos. Hitzfeld blickt auf den Boden, schüttelt immer wieder den Kopf. Basler steckt sich eine Zigarette an.
    »Hoeneß war einer der Ersten, die sich wieder im Griff hatten, wieder die Fassung fanden«, erinnert sich Kahn, »den Manager schmeißt so schnell nichts um, er jammert nicht. In dieser Beziehung hat er die Steherqualitäten eines Helmut Kohl.« Auch Hitzfeld funktionierte rasch wieder. Er musste. TV-Termine, die Pressekonferenz, später das Bankett im Mannschaftshotel »Barceló Sants«. Für Hitzfeld war es »die Höchststrafe«, nichts anderes als grausame Pflichterfüllung. »Für mich war das sehr schwer, ich wollte allein sein, rauf auf mein Zimmer. Dann dieser ständige Trost. Ständig kamen Menschen, die einem auf die Schulter klopften und es ja nur gut meinten. Das Bankett war eine ganz traurige Veranstaltung.« Zunächst. »Ein Glas Wein tut immer der Seele gut, es lockert die Zunge, lenkt die Gedanken von diesem einen Thema ab«, sagt Hitzfeld, der trotzdem bald auf seinem Zimmer verschwand. Was er nicht mitbekam: Einige Spieler, nämlich Mario Basler, Alexander Zickler, Markus Babbel und Jens Jeremies, starteten derweil die Mutter aller Finalniederlagenpartys. Wenigstens ein verlorenes Finale ohne Skandal hinterher, ohne Zerwürfnis, ohne das angekündigte oder tatsächliche Ende eines Trainers.
    Was für Hoeneß die Höchststrafe war: Ihm schmeckte das Essen nicht. Aus Enttäuschung. »Diese Champions League, dieser Pokal war sein großes Ziel, seine größte Herausforderung«, sagt Hitzfeld, »das habe ich in all den Gesprächen immer wieder gespürt. Auf dem Bankett meinte er dann plötzlich zu mir: ›Wir packen das, Ottmar. Wir greifen nächstes Jahr wieder an.‹ Uli ist eben ein Kämpfertyp.«
    Es dauerte lange, bis Hoeneß dem Sekundentod von Barcelona etwas Positives abgewinnen konnte. »Diese Niederlage möchte ich im Nachhinein nicht missen, weil sie ein unglaublich überwältigendes Erlebnis war«, sagte Hoeneß 2004 in einem Interview mit der »Abendzeitung«. Seine Erklärung: »Wie toll unsere Fans, die Mannschaft, der ganze Verein sich verhalten haben nach dieser Niederlage, hat uns – vor allem in England – mehr Sympathie eingebracht als Ruhm, den wir bekommen hätten, wenn wir das Ding gewonnen hätten.« Eine ehrenwerte Haltung, aber am Ende des Tages – wie Karl-Heinz Rummenigge so gerne sagt – bedeutet der Pott doch alles.
    Ein Jahr später scheiterte Bayern im Halbfinale an Real Madrid. Doch 2001 erreichte man nahezu mit der gleichen Mannschaft wieder das Finale. Und das nach Erfolgen im Viertelfinale gegen Manchester United und im Halbfinale gegen Real Madrid – besser hätte der Rachefeldzug nicht laufen können.
    Kein Endspieleinzug ohne kleines finanzielles Risiko. Fünf Tage vor dem Halbfinalrückspiel gegen Real mussten Hoeneß und Finanzvorstand Hopfner eine Reservierung für das Endspielhotel in Mailand unterschreiben – über 245 000 DM, ohne Stornierungsfrist.
    Im Finale gegen den FC Valencia sollte Barcelona 99 vergessen gemacht werden. Und es sollte sich ein Kreis schließen für die tragischen Helden von 1999 nach einer Reise, die im Giuseppe-Meazza-Stadion von Mailand ihr Ende nehmen sollte. »Wäre der Europapokal ein Tier und der FC Bayern sein Jäger, die Hatz ginge jetzt wohl zu Ende«, schrieb die »Süddeutsche Zeitung« am Finaltag. Vor allem für Uli Hoeneß sollte nicht mehr nur der Weg das Ziel sein.
    Die Mannschaft aber verkrampfte an jenem 23. Mai 2001 etwas. Ein früher Rückstand durch einen Handelfmeter nach drei Minuten, ein verschossener Elfmeter von Scholl nach nur sieben Minuten. Kapitän Stefan Effenberg gleicht nach 50 Minuten aus – auch per Elfmeter. Auf andere Art sollten in dieser Nacht keine Treffer mehr fallen.
    Auf der Bank leidet Uli Hoeneß. Eine vierte

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