Hier stinkt's!
auf ein paar Bäume. »Sie verstecken sich dort. Das ist ein cooles Spiel, es heißt ›Verstecken und Verrecken‹. Genau, so heißt es. Sie verstecken sich. Ich verrecke.«
Der Typ starrte mich eine Weile an, dann sah er rüber zu Mr Murphy. »Haben Sie es ihm erklärt?«, fragte er.
Mr Murphy nickte. »Habe ich. Aber ich schätze, ich muss es noch mal erklären. Vielleicht sollte ich kürzere Wörter benutzen, auch wenn mir grad keine einfallen.« Er drehte sich zu mir. »Nathan. Welchen Teil von ›tot stellen‹ hast du nicht verstanden?«
»Aber ich dachte …«
Er hielt die Hand hoch. »Tote denken nicht. Sie reden auch nicht, und sie bewegen sich nicht. Lass es uns noch mal versuchen.«
»Okay.« Ich schloss die Augen und ließ mich wieder auf den Boden fallen. Ich hatte es versaut, aber jetzt würde mich nichts mehr davon abhalten, tot herumzuliegen.
Ich hörte den Typen wieder. »Junge, hey – bist du verletzt?« Er schüttelte meine Schulter. Ich blieb tot.
Ich spürte Hände auf meiner Brust. Jemand hob mich hoch. Ich wurde getragen. Ich blieb schlaff und hielt die Augen geschlossen. Das war einfach.
Türen schlugen zu. Ich hörte Sirenen. Wir bewegten uns. Plötzlich bekam ich Angst, dass das Ganze bloß ein Trick war, um mich irgendwohin zu bringen, wo man mir ein falsches Herz einsetzen würde. Es müsste ja nicht mal ein Krankenhaus sein. Sie könnten mich genauso gut an jedem anderen Ort aufschlitzen.
Ganz vorsichtig öffnete ich ein Auge einen Spaltbreit, um mich umzusehen.
»Nicht gucken!«, sagte Mr Murphy.
Ich kniff die Augen zu.
»Hör auf, deine Augen zu zerquetschen wie reife Zitronen«, sagte Mr Murphy.
Der Wagen rollte um die Kurve. Ich spürte, wie die Trage unter mir sich in Bewegung setzte. »Ups.« Ich klammerte mich an den Seiten fest.
»Nathan …«, sagte Mr Murphy.
»Tut mir leid.«
Wir fuhren noch eine Weile. Ich hielt so still wie ich konnte, aber es stellte sich heraus, dass sich tot zu stellen doch sehr viel schwieriger war, als tot zu sein. Endlich hörte ich Mr Murphy sagen: »Das reicht für Erste, Nathan.«
Ich riss die Augen auf. Ich war nicht in einem Krankenwagen. Ich lag im Fond eines Transporters auf einer Trage. Aus einer kleinen Stereoanlage neben mir kamen die Geräusche der Sirene. Außer Mr Murphy waren noch zwei andere Leute in demTransporter, und ein Fahrer ganz vorn. Ich glaube, ich hatte sie alle schon mal auf den Fluren des BUM gesehen.
Ich setzte mich auf und sah aus dem Fenster. Wir waren wieder im Park. »Was soll das Ganze?«
»Wir mussten sichergehen, dass du in der Lage bist, dich tot zu stellen, was immer auch passiert«, erklärte Mr Murphy. »Sieht aus, als müssten wir uns etwas anderes überlegen.«
»Nein, das müssen Sie nicht. Ich krieg das hin. Ich muss bloß noch ein bisschen üben.«
»Wir haben nicht genug Zeit«, sagte Mr Murphy. »Ich werde mir etwas anderes ausdenken müssen, um in die VADU -Basis einzudringen.«
»Ich lerne schnell«, versicherte ich.
Mr Murphy wandte sich zu dem Fahrer: »Fahren Sie zurück. Ich werde zu Fuß gehen. Ich muss nachdenken.«
Er stieg aus. Ich folgte ihm. Sofort danach fuhr der Transporter ab.
»Was ist denn so wichtig daran, sich tot zu stellen?«, fragte ich.
»Tut mir leid, das kann ich dir nicht sagen. Geheime Informationen dürfen nur weitergegeben werden, wenn sie absolut essentiell sind«, sagte Mr Murphy. »Und diese Information ist nicht essentiell.«
»Aber …«
»Gute Nacht, Nathan.«
Als er sich umdrehte, sagte ich: »Hey – ich habe Verfolgen geübt. Ich werde immer besser. Mir ist aufgefallen, dass es eigentlich super klappt, wenn ich …«
»Nathan, du musst wirklich lernen, deine Grenzen zu akzeptieren. Es gibt einfach ein paar Dinge, für die du absolut kein Talent hast.«
»Ich bin aber gut im Verfolgen. Wirklich! Und ich werde auch gut sein im Totstellen. Lassen Sie es mich noch mal versuchen.«
»Jetzt nicht. Ich muss ein paar Vorbereitungen treffen. Was für eine Pleite.« Er zog ein Handy aus der Tasche. »Es war dumm von mir, zu glauben, dass du dem schon gewachsen bist.«
»Haben Sie nicht gesagt, Telefone sind nicht sicher?«
»Das ist ein Notfall«, sagte er und klappte das Handy auf. »Und es ist ein sicheres Telefon. Es hat ein verschlüsseltes Schaltsystem. Und eine Anti-Abhör-Funktion.« Er runzelte die Stirn. »Hm. Offenbar hat es auch einen toten Akku.«
Wenigstens damit konnte ich ihm helfen. Ich griff in meine Tasche.
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