Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
sitzt Emma ungewöhnlich schweigsam neben mir am Steuer ihres BMW , während Niklas mir vom Rücksitz aus alle möglichen Vorschläge macht, wie wir gleich vorgehen sollten.
»Wir müssen uns auf jeden Fall duzen, Iris.«
Von der Seite sehe ich, wie Emma ihre Stirn runzelt.
Doch ich verstehe, worauf Niklas hinauswill.
»Sicher«, stimme ich ihm zu. »Sonst glaubt Jörg wohl kaum, dass wir uns schon länger kennen.«
»Genau«, sagt Niklas. »Mit Zärtlichkeitsbekundungen halten wir uns selbstverständlich zurück.«
Emma räuspert sich.
»Selbstverständlich«, sage ich.
An so etwas hatte ich noch gar nicht gedacht.
»Wir beschränken uns am besten auf Händchenhalten«, sagt Niklas. »Aber das sollte schon sein. Damit wir als Paar glaubwürdig wirken. Was meinen Sie, Iris?«
Auch wenn er mir heute Abend des Öfteren die Hand auf den Arm gelegt hat – seine Hand möchte ich eigentlich nicht halten.
»Vielleicht können Sie mich stattdessen lieber unterhaken? So wie vorhin in der Hausfrauenbund-Küche?«
Das war angenehm förmlich.
»Gute Idee«, sagt Niklas sofort. »Ich wohne übrigens in Schwachhausen. Falls Sie Jörg sagen wollen, wo Sie hinziehen.«
Schwachhausen. Einer der besten Stadtteile. Gleich am Bürgerpark und fast nur mit Villen bebaut. Niklas muss einen ziemlich gut bezahlten Job haben, wenn er es sich leisten kann, dort zu wohnen.
Kurz überlege ich, ihn nach seiner Arbeit zu fragen, aber wir fahren bereits bei Jörgs Haus vor.
Emma schaltet den Motor ab.
»Soll ich mit reinkommen?«, bietet sie mir an.
Ganz ehrlich gesagt, nein. Weil ich befürchten muss, dass Emma mir das Heft sofort aus der Hand nehmen wird, sobald sie meint, es sei gut für mich.
Ich öffne den Gurt.
»Vielleicht ist es besser, wenn ich nur mit Niklas auftauche, Emma. Damit Jörg erst gar nicht auf die Idee kommt, dass ich in Wirklichkeit zu dir ziehe«, sage ich ohne echte Hoffnung, ihre Pläne tatsächlich dadurch beeinflussen zu können.
»Okay«, sagt Emma.
Ohne den leisesten Unterton von Enttäuschung oder Verärgerung.
Vielmehr klingt sie richtig erleichtert.
»Wirklich?«, frage ich erstaunt, weil sie sich den Anblick von Jörg im Angesicht seines vermeintlichen Nachfolgers so einfach entgehen lässt.
Emma nickt.
»Viel Vergnügen! Du musst mir im Anschluss alles haarklein erzählen!«, sagt sie und grinst in offensichtlicher Vorfreude.
»Auf geht’s!«, ruft Niklas von hinten, als sei er mein Trainer und ich ein vielversprechendes Sporttalent.
»Ich erzähl dir alles ganz genau«, sage ich zu Emma.
Rasch steige ich aus dem Auto und werfe die Tür ins Schloss. Das Licht im Wohnzimmer brennt. Und das in der Küche auch. Womöglich, weil sich Jörg heute mal selber um sein Abendbrot kümmern muss. Vielleicht fabriziert er gerade seinen scheußlichen Konserven-Hering in Tomatensauce mit gekochtem Reis. Wie an meinem Geburtstag, als ich mir gewünscht habe, dass er mal kocht.
Niklas taucht an meiner Seite auf. Er scheint geradezu beseelt von seiner Mission im Namen der plötzlich Sitzengelassenen. Im Schein der Straßenlaterne funkeln seine Augen in entschlossenem Blau und seine Wangen erscheinen rosig durchblutet.
Ich muss lächeln.
So viel Solidarität von einem Fremden.
Und von einem ausgesprochen attraktiven Fremden noch dazu.
»Richtig so, Iris!«, feuert mich Niklas an. »Mit einem Lächeln in die Höhle des Löwen.«
Er hält mir wieder seinen Arm hin. Dankbar hake ich mich ein. Im Gleichschritt bewegen wir uns auf die Haustür zu. Schnell werfe ich noch einen Blick zurück zu Emma und hebe bereits die Hand, um sie durch ein kurzes Winken unter besten Freundinnen in die Mission einzubeziehen. Doch sie schaut nicht einmal hinter uns her. Sie telefoniert.
Ich habe keine Zeit, mich über ihr Verhalten zu wundern. Denn Niklas hält seinen Zeigefinger über den Klingelknopf.
Ich nicke.
Umgehend betätigt Niklas den goldgefassten Knopf und das lächerlich pompöse Gedudel der Hirschheimer’schen Klingel ertönt. Kurz denke ich, wir sollten nun wie bei einem Klingelstreich möglichst rasch das Weite suchen.
Dann höre ich ein helles Lachen von drinnen. Das muss der Fernseher sein. Das Licht im Flur geht an und Jörgs Silhouette erscheint hinter der Milchglasscheibe der Haustür.
Sie sieht erstaunlich groß aus. Und dunkel.
Niklas drückt meinen Arm.
»Was für eine alberne Klingelmelodie«, sagt er zufrieden und schüttelt den Kopf.
»Hm«, pflichte ich ihm aus vollem Herzen
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