Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
bei.
Die Tür geht auf.
Es riecht nach Gewürzen. Nach Curry und Ingwer, glaube ich. Richtig lecker. Jörgs Gesicht zeigt für den Bruchteil einer Sekunde ein mitleidiges Lächeln und sein Mund öffnet sich. Dann fallen seine Augen auf Niklas. Jörgs Mund klappt wieder zu und er blinzelt kurz.
»Guten Abend«, sagt Niklas untadelig höflich und abschätzig zugleich.
»Hallo, Jörg«, bringe ich mit Mühe hervor.
Jörg scheint mich gar nicht zu hören. Irritiert starrt er auf Niklas.
Er dreht sich zu mir und sieht mir direkt in die Augen.
»Wer ist das?«, fragt er barsch.
Ich spüre Zorn in mir aufsteigen. Kann er nicht zumindest erst mal hallo sagen?
»Das ist Niklas«, sage ich forsch vor Wut.
»Und weiter?«, fordert Jörg ungehalten.
Als müsse er mir gutes Benehmen beibringen.
Keine Ahnung wie weiter.
Verdammt.
»Niklas Nienaber«, sagt Niklas rasch und streckt Jörg seine Hand entgegen.
Jörg verzieht leicht angewidert das Gesicht, bevor er sie ergreift.
Er stellt sich nicht vor.
»Jörg Hirschheimer, wie ich dem hübschen Klingelschild entnehme«, sagt Niklas grinsend, schüttelt Jörgs Hand, lässt sie los und legt seinen Arm um mich.
Entgegen unserer Absprache.
Aber egal.
»Ich bin Iris’ Neuer«, sagt Niklas so fröhlich, als erwarte er von Jörg gleich die herzlichsten Glückwünsche zu diesem Umstand.
Jetzt wird Jörg bleich.
Er sieht mich kalt an.
»Wie lange läuft das schon mit dem?«, fragt er mich leise.
Wie lange schon?
Vielleicht drei Monate? Oder sage ich lieber sechs? Keine Ahnung, wie lange Jörg selber schon seine Neue hat. Ich möchte nur ungern den Kürzeren ziehen.
»Über zwei Jahre«, informiert Niklas Jörg.
Jörg sieht mich fassungslos an.
»Zwei Jahre! Iris, das … das hätte ich nie von dir gedacht. Und ich krieg nichts mit!«
Unglaublich, mit welcher Leichtigkeit Niklas Jörg von meinem angeblichen Doppelleben überzeugt hat.
Beinahe bin ich selber erstaunt über meine ungeahnten Facetten.
»Dürfen wir eintreten?«, fragt Niklas freundlich und macht bereits mit mir im Arm einen kleinen Schritt Richtung Türschwelle.
Jörg tritt uns entgegen.
»Nein, dürfen Sie nicht!«, raunzt er Niklas an.
Dann wendet er sich wieder mir zu.
»Wie konntest du nur, Iris?«
Das fragt er noch?
Sofort fallen mir eine ganze Menge sehr gute Gründe ein, um mein angebliches Verhalten zu rechtfertigen.
»Du hast doch nie Zeit für mich!«, sage ich wütend. »Arbeit und Sport. Was anderes interessiert dich nicht. Sogar beim Abendbrot läuft ständig der Sportkanal.«
»Du hast dich nie beschwert«, entgegnet Jörg empört.
Das stimmt schon.
»Aber nur, weil wir am Anfang abgemacht hatten, dass jeder seinen gewohnten Hobbys nachgehen darf. Und zwar auf deinen Wunsch hin.«
»Eben«, sagt er ungerührt.
»Außerdem hast du dich nie für das interessiert, was ich mache!«
»Na hör mal!«, entgegnet Jörg. »Wie soll sich ein Mann denn auch für so etwas interessieren: Kochen, Putzen und Bonbons an Parksünder verteilen!«
Kurz möchte ich losheulen vor Demütigung.
Doch dann ärgere ich mich plötzlich über mich selber.
Warum habe ich Jörg nicht tatsächlich schon längst betrogen?
Oder wenigstens verlassen.
Er ist ja noch schlimmer, als Emma immer gesagt hat. Wenn man sich mal offen mit ihm unterhält.
»Und was war mit Sex?«, höre ich Niklas’ Stimme.
Jörg und ich sehen ihn verdutzt an.
Er hat immer noch seinen Arm um mich gelegt.
»Was hat Iris Ihnen erzählt?«, fragt Jörg aufgebracht und beugt sich zornig vor.
Niklas, mit ihm auf Augenhöhe, weicht keinen Millimeter zurück.
Ich schlucke.
»Alles«, sagt Niklas.
Elftes Kapitel
K ein Mensch käme auf die Idee, dass Jörg Potenzprobleme hat.
Es ist eigentlich wie mit seinen Nasenhaaren.
Nur ich weiß es.
Nicht mal Emma hat eine Ahnung, weshalb er so wenig Elan im Bett zeigt.
Jörg scheint für ein paar Augenblicke zu erstarren. Dann senkt er seinen Kopf, und ich höre ihn schwer ein- und ausatmen.
Ich sehe Niklas an.
Der guckt Jörg aufmerksam zu.
»Iris«, stößt Jörg mit bebender Stimme hervor und hebt seinen Blick in meine Richtung. »Du weißt doch ganz genau, dass das alles nur an dir lag, nicht wahr?«
Wie bitte?
Was erzählt Jörg denn da!
Das stimmt doch gar nicht.
Sein Arzt hat gesagt, es käme vom exzessiven Fahrradfahren!
Der harte Sattel, die enge Hose, die permanente Überhitzung.
»An mir ?«
»Natürlich.«
»Mit Sicherheit nicht«, schaltet Niklas sich
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