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Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)

Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)

Titel: Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Nelle
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Löffelbiskuit aus der Hand, den sie offenbar gerade in Pfirsichsaft tränken wollte. Mit schnellen Schritten ist sie bei uns und schnappt Emma das Thermometer weg. Sie beugt sich über die Kalbsnuss und stockt. Mit gerötetem Gesicht richtet sie sich wieder auf und sagt zu Emma: »Sie haben den Braten ruiniert, junge Dame.«
    Ein Raunen geht durch die kleine Schar.
    Ich bin verwirrt. Schließlich hat Emma den Braten nicht angerührt.
    »Aber das kann doch nicht sein«, sagt Emma fröhlich, als wolle die Kochdame nur einen lehrreichen Scherz mit ihr treiben.
    »Sehr wohl kann das sein, mein Fräulein«, entgegnet die Dame giftig. »Wenn Sie vorhin zugehört hätten, anstatt die anderen zu animieren, Figürchen aus dem Kürbis zu schneiden, dann hätten Sie gewusst, dass man bei der Niedergarmethode niemals die Ofentür öffnen darf, bevor die vorgesehene Gardauer erreicht ist.«
    »Weil durch das Eindringen der kühlen Raumluft die zuvor angestellte Berechnung der Gardauer hinfällig wird«, sagt eine der Teilnehmerinnen wütend.
    Jetzt schaut auch Emma entsetzt.
    »Und erst recht nicht darf man das Thermometer aus dem Fleisch ziehen«, fügt die Lehrerin voller Empörung hinzu.
    »Warum denn das?«, rutscht es mir heraus.
    Bisweilen wird wirklich zu viel Brimborium ums Kochen gemacht.
    »Darum«, antwortet die Leiterin und weist auf die Kalbsnuss.
    »O nein!«, entfährt es Emma und mir gleichzeitig, als wir ihrem ausgestreckten Finger mit den Augen folgen. Die ehemals dralle Kalbsnuss ist so verschrumpelt, dass sie wie eine riesige Dörrpflaume aussieht. Aus dem Loch, das das Thermometer hinterlassen hat, rinnt ein Strom duftenden Bratensaftes, um sinnlos auf dem Ofenblech zu verbrutzeln.
    »Immerhin haben wir noch die Kürbissuppe«, höre ich Niklas.
    Er tritt aus dem Halbdunkel und steuert auf die erzürnte Oberköchin zu. Sie schaut ihn genauso misstrauisch an, wie Emma es vor ein paar Minuten getan hat.
    »Sie und die dunkelhaarige Teilnehmerin mögen doch gar keine Kürbissuppe.«
    »Aber der Rest der Kochgruppe schon. Besagte Teilnehmerin und ich werden uns einfach auf der Suche nach einem anderen Abendessen in ein nettes Restaurant begeben.« Er lächelt mich spitzbübisch an. »Was meinen Sie, Iris?«
    Ich schnappe nach Luft.
    Bevor ich auf diesen ebenso dreisten wie vernünftigen Vorschlag eingehen kann, ergreift Emma das Wort.
    »Iris geht nicht mit wildfremden Männern in Restaurants. Was bilden Sie sich ein?«
    Niklas würdigt Emma keines Blickes.
    »Iris?«, fragt er, kommt auf mich zu und hält mir seinen Arm wie zum Geleit hin.
    Emma legt ihre Hand auf meine Schulter.
    »Iris, geh bloß nicht mit dem mit. Der ist mir total unheimlich«, flüstert sie mir eindringlich zu.
    »Ach, Emma!«, sage ich laut, ignoriere aber Niklas’ Arm.
    Wenn ich es mir recht überlege, hat Emma an jedem Mann etwas auszusetzen, der ihr unter die Augen kommt. Einmal hat sie sogar behauptet, Bruno trage ein Toupet, und zwar ein besonders schlechtes. Bis sie ihn mit seinem vermeintlichen Kunsthaar beim Tauchen im Stadionbad gesehen hat.
    »Im Ernst, Iris«, sagt Emma laut. »Du weißt doch, dass du immer viel zu gutgläubig bist.«
    Sie lächelt mich an, als hätte sie mir mit dieser Beschreibung meines Charakters vor versammelter Kochmannschaft den größten Gefallen getan, der unter Freundinnen möglich ist.
    »Das heißt dann wohl, dass Sie bleiben«, sagt die Dame vom Hausfrauenbund ungeduldig.
    Mir reicht es. Wenn alle meinen, ich müsse mich ständig ihren Vorstellungen beugen, dann werde ich ihnen das Gegenteil beweisen. Auch wenn es mir nicht gerade leichtfällt, mit einem fremden Mann zum Essen zu gehen.
    »Wollen wir?«, frage ich Niklas und halte ihm meinen Arm hin.
    »Gerne.« Er hakt sich ein.
    Zügig steuert er Richtung Garderobe. Auch ich habe es eilig zu gehen – bevor ich es mir doch noch anders überlege. Wir greifen nach unseren Jacken. Von der anderen Seite der Lehrküche vernehme ich Emmas Stimme.
    »Ich komme mit!«
    Wir drehen uns beide um. Sie ist bereits auf dem Weg.
    »Was für eine unmögliche Person!«, höre ich Niklas zischen.
    Ich dagegen empfinde durchaus ein bisschen Erleichterung.
    »Da bin ich«, sagt Emma grinsend und stellt sich zwischen uns. »Ich schlage vor, wir gehen zum Italiener in der Kornstraße. Zu dem mit der leckeren Pasta. Wird bestimmt richtig gemütlich. Wollen wir?«
    »Ja, sicher. Klingt verlockend«, antwortet Niklas zu meiner Überraschung sehr freundlich und ohne zu

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