Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
ein.
Jörg sieht ihn verdattert an.
»Ich kann mit Sicherheit sagen, dass es nicht an Iris liegt.« Niklas wirft Jörg ein vielsagendes Lächeln zu. »Sie verstehen?«, fügt er hinzu.
Ich werde rot.
Mein Gott.
Wie Niklas mich darstellt. Als sei ich so eine Art Sexgöttin.
Jörg sieht mit einmal kein bisschen selbstsicher mehr aus. Eher, als würde er am liebsten vor Niklas fliehen.
»Ich will nur rasch ein paar Sachen einpacken«, sage ich leise.
Meine Rachegelüste sind fürs Erste gestillt, und ich möchte das Ganze jetzt schnell hinter mich bringen. »Ich ziehe zu E…, zu Niklas .«
Jörg atmet scharf ein.
»Sehr gut«, zischt er dann. »Je eher du ausziehst, desto besser. Egal zu wem. Schließlich brauche ich den Platz.« Stolz blickt er Niklas an. »Für Pia und mich.«
Pia. So heißt sie also.
»Pia hat übrigens heute Abend gekocht. Etwas Indisches«, sagt Jörg zu mir.
Kurz überlege ich, inwiefern das jetzt von Belang sein könnte. Wahrscheinlich wird sich diese Pia-Person doch wohl des Öfteren eine Mahlzeit zubereiten.
»Schön«, sage ich höflichkeitshalber.
Vermutlich hat sie Jörg eben noch telefonisch von ihren Kochkünsten berichtet, und er freut sich mächtig, dass er nach ihrem Einzug wieder jemand Kompetentes für den Küchendienst hat.
»Riecht wirklich sehr lecker«, sagt Niklas an meiner Seite. »Ist vielleicht noch etwas für uns übrig?«
Ich verstehe nicht.
»Nein«, entgegnet Jörg schroff. »Den Rest nehme ich morgen zur Arbeit mit.«
Jetzt verstehe ich.
Diese Pia hat hier gekocht.
Obwohl ich noch nicht mal ausgezogen bin.
Ich merke, wie Jörg mich beobachtet. Ich blicke ihn an. Er ist offensichtlich höchst zufrieden über meine geschockte Miene.
»Ich hole jetzt meine Sachen«, sage ich kühl.
O Gott. Ich muss jeden Moment damit rechnen, auf diese kaltschnäuzige Kaugummisüchtige zu treffen. Wenn ich nur wüsste, wo genau im Haus sie lauert.
»Dann wollen wir mal«, meint Niklas und ergreift meine Hand. Er klingt richtig erwartungsfroh. Vielleicht ist er gespannt, dieser Pia in natura zu begegnen.
Jörg macht nicht mehr die geringsten Anstalten, Niklas an dem Betreten seines Hauses zu hindern.
»Bitte sehr«, sagt er stattdessen. Wie ein Gastgeber.
Als sei das gesamte Haus vermint, bewege ich mich angespannt und möglichst geräuscharm. Zunächst an der geöffneten Wohnzimmertür und der Küchentür vorbei. Aus beiden dringt kein Laut, der auf die Anwesenheit eines menschlichen Wesens schließen ließe. Nicht mal Kaugummischmatzen.
Vorsichtig und mit Niklas im Schlepptau steige ich die Treppe zum Obergeschoss empor. Kaum anzunehmen, dass sich Jörgs Neue bereits bis ins Schlafzimmer vorgearbeitet hat. Dennoch öffne ich die Tür erst mal nur einen kleinen Spalt. Der Raum ist dunkel. Was hoffentlich nicht heißt, dass sie sich für ein Nickerchen hierhin zurückgezogen hat. Beherzt knipse ich das Licht an.
Das Bett ist leer.
Niklas sieht sich höchst interessiert im Zimmer um. Ein wenig unangenehm ist es mir schon, dass er jetzt mein Schlafzimmer nach Belieben unter die Lupe nehmen kann. Zumal er sich keinerlei Zwang antut.
Er nimmt das Taschenbuch, das auf meinem Nachttisch liegt, um den Titel zu lesen.
»Du magst geschichtliche Romane?«, meint er anerkennend und platziert das Buch wieder genau an der Stelle, an der es gelegen hat. Jörg hat meine bevorzugte Literatur immer als Historienschrott abgekanzelt.
»Ja«, gebe ich trotz Niklas’ wertschätzender Wortwahl leicht gereizt zurück, während ich möglichst flink ein paar weiße Baumwollschlüpfer in einer Reisetasche verschwinden lasse. Zum Glück hakt Niklas nicht nach, ob diese zweckmäßigen Dinger repräsentativ für meine gesamte Unterwäsche sind. Stattdessen öffnet er die Tür zum Bad und steuert auf den Spiegelschrank zu.
Ich werfe rasch einige Hosen und Pullover in die Tasche.
»Soll ich schon mal die Zahnbürste in deine Kulturtasche tun?«, ruft er eifrig.
»Nein!« Ich eile ins Bad.
Niklas schaut mich verletzt an. Sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Vielleicht war mein Ton doch etwas barsch. Schließlich will er mir nur helfen.
»Nein, danke«, sage ich und ringe mir ein Lächeln ab.
Niklas sieht immer noch recht pikiert aus.
Man könnte fast meinen, er schmollt.
»Du verstehst sicher, in so einer Kulturtasche sind doch eher private Dinge.«
Wie Tampons, Haarentfernungscreme und Anti-Cellulite-Peeling.
Niklas zuckt mit den Schultern.
»Verstehe«, sagt
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