Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
und hoffe, dass mein Gesicht schnell wieder seine normale Farbe annimmt.
»Ich werde dich anrufen, Iris.«
Niklas hält mir seine Hand hin.
Ich nehme sie.
»Auf Wiedersehen«, sagt er leise.
Niklas lässt mich wieder los, dreht sich um und geht.
Er schaut noch einmal zurück, bevor er um die nächste Ecke entschwindet.
»Ich werde nach Hause laufen«, ruft er. »Es ist so eine herrliche Nacht.«
Obwohl mich oben eine erboste Emma erwartet, steige ich beschwingt die Treppe zu ihrer Wohnung hoch. Was für ein Glück, kaum dass Jörg mich nicht mehr will, jemanden wie Niklas zu treffen. Jemanden, der mir zeigt, dass ich … dass ich doch ziemlich toll bin.
Emmas Haustür steht einen Spalt offen. In ihrem riesigen weißen Flur ist Licht. Mein Blick fällt auf das kuriose Foto, das Felix von ihrer Kartäuserkatze Monk gemacht hat. Das blaugraue Tier hat er vor einem grellorangen Hintergrund abgelichtet. Und die Augen in Lila retuschiert.
Kaum zu fassen: Nicht nur Niklas findet mich offenbar interessant. Felix hat mir am Vormittag sogar eine Liebeserklärung gemacht. Von der er jetzt zum Glück nichts mehr weiß. Die aber in Anbetracht der aktuellen Ereignisse was sehr Aufbauendes hat.
»Emma?«, rufe ich.
Weil ich keine Antwort erhalte, schaue ich zuerst in ihrer perfekt ausgestatteten Küche nach ihr und betrete dann das in cleanem Chic eingerichtete Wohnzimmer.
Keine Emma.
Vielleicht sollte ich dezent an ihrer Schlafzimmertür klopfen, um festzustellen, ob sie sich tatsächlich schon zur Nachtruhe zurückgezogen hat. Doch mein rechter Schuh scheint an den flauschigen Fasern von Emmas schneeweißem Teppich hängen zu bleiben. Irgendetwas klebt.
Rasch ziehe ich meinen Fuß aus meiner flachen Sandale und versuche sie per Hand vom Teppich zu lösen. Mehrere zähe, pinke Fäden ziehen sich zwischen Schuh und Flauschflor. Es riecht ein wenig nach Pfefferminze.
Kaugummi?
Pia!
Irgendwo in Jörgs Haus muss ich in eine ihrer Hinterlassenschaften getreten sein.
Diese widerwärtige Person – hoffentlich verhunzt sie Jörg mit ihrer Angewohnheit sämtliche heißgeliebten Erb-Perser seiner Eltern!
Eine gefühlte halbe Stunde mühe ich mich, das kleisterige Pink wieder aus den seidenfeinen Langfasern von Emmas Teppich zu entfernen. Jedoch ohne befriedigendes Ergebnis. Ein zartrosa Rückstand bleibt.
Als ich kurz davor bin, den Farbtupfer einfach aus Emmas Teppich herauszuschneiden, überkommt mich bleierne Müdigkeit.
Anstatt meine radikale Idee in die Tat umzusetzen, bereite ich mir lieber auf dem üppigen Sofa ein Lager mit der Bettwäsche, die mir Emma netterweise hingelegt hat. Ich ziehe mich rasch um und putze mir noch schnell im Gästebad die Zähne.
Kaum habe ich mich ins ungewohnte Bett gekuschelt, bin ich eingeschlafen.
Zwölftes Kapitel
E in wohlig besessenes Schnurren an meinem rechten Ohr weckt mich am nächsten Morgen. Benommen öffne ich die Augen. Emmas Kater, der das Privileg hat, als einziges männliches Wesen kontinuierlich ihr Nachtlager teilen zu dürfen, blickt mich an.
Er liebt Gäste.
Weil er es höchst unterhaltsam findet, diese zu erschrecken.
Er hat sich in Höhe meines Kopfes zwischen mich und die Rückenlehne des Sofas gequetscht.
»Guten Morgen, Monk«, sage ich höflich und strecke ganz vorsichtig meine Hand aus, um ihn am Kopf zu kraulen.
Seine funkelnden Augen verengen sich zu misstrauischen kleinen Schlitzen. Er faucht mich leise an und springt vom Sofa.
Jeder Tierpsychologe hätte sicher seine helle Freude, dieses Tierchen zu analysieren. Und dabei vielleicht auch gleich ein paar Hypothesen über das Seelenleben seines Frauchens aufzustellen.
»Komm her, mein armes, kleines Kätzchen«, höre ich Emmas Stimme halb ironisch, halb mütterlich.
Ich drehe mich um.
Sie steht bereits schick gewandet in der Wohnzimmertür und streckt die Arme aus, damit ihr neurotisches Haustier sich dorthin flüchten kann.
Sie lächelt mich an. Leicht verlegen, wie mir scheint.
»Guten Morgen, Emma«, sage ich abwartend und setze mich auf.
Mit dem Kater auf dem Arm kommt sie auf mich zu.
»Darf ich?«, fragt sie und deutet auf die Sofakante.
»Na, klar«, antworte ich erleichtert.
Emma ist offenbar nicht mehr böse auf mich.
»Ich bin ja eine tolle beste Freundin«, sagt sie und lässt sich nieder. »Tut mir leid, Iris, dass ich gestern Abend mit meinen Worten über Niklas womöglich zu weit gegangen bin. Anstatt mich zur Richterin über seinen Charakter aufzuspielen, hätte ich
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