Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
a!
Entkommen! Entkommen!
Am liebsten würde ich jubelnd den sonnigen, menschenleeren Bürgersteig hinunterhüpfen.
So phänomenal erleichtert fühle ich mich.
Etwa drei Sekunden lang.
Dann trifft es mich wie ein Schlag, und ich bleibe stehen.
Mein Gott. Was habe ich getan!
Ich bin vor den Nienabers weggelaufen!
Weggelaufen.
Mir wird knallheiß und schwindelig.
Das ist … das ist … unglaublich peinlich.
Ich fasse mir mit beiden Händen an die Stirn.
Wie soll ich Niklas bloß erklären, was da in mich gefahren ist?
Und was …
Geschockt halte ich die Luft an.
… was wird er jetzt von mir denken !
Eben noch massiere ich die Hände seiner todkranken Mutter, dann rase ich ohne Abschiedsworte aus der Wohnung.
Ich atme aus und starre einige Momente vor mich hin. Dann nicke ich: Er wird denken, ich sei verrückt . Ja, das wird er denken.
Ich lasse meine Hände sinken und seufze.
Oh, ich habe alles vermasselt!
Die ganze schöne Sache mit Niklas. Einfach vermasselt.
Wo das Schicksal ihn mir als Wiedergutmachung für Jörgs widerlichen Verrat auf dem Silbertablett serviert hat!
Wie konnte ich nur.
Bittere Tränen steigen mir in die Augen.
Hätte ich nicht einen winzigen Moment nachdenken können, bevor ich mich vollkommen lächerlich mache?
Ärgerlich kämpfe ich meine Tränen hinunter und lasse mich erschlagen an der Gartenmauer hinabgleiten, bis ich auf dem Gehweg sitze. Ich wische mir über die Augen und werfe rasch einen Blick nach hinten.
Zum Glück bin ich hier für die Nienabers nicht zu sehen.
Aber was jetzt?
Ich kaue auf meinen Lippen.
Ich kann mich nicht ewig hier verstecken. Irgendwann muss ich wieder zurück zu ihnen. Und mich für mein unmögliches Benehmen entschuldigen.
Ja. Ich atme tief durch. Das muss ich.
Außer … außer, ich verschwinde einfach. Spontan verspüre ich einen gewaltigen Drang, genau das zu tun.
Verschwinden fühlt sich irgendwie so richtig an.
Niklas wird doch sowieso nichts mehr von mir wissen wollen – ich schlucke ein paar neue Tränen hinunter –, warum soll ich mir dann seine schreckliche Familie noch mal antun?
Das macht doch überhaupt keinen Sinn.
Und außerdem, außerdem : Die Nienabers müssten sich selber entschuldigen! Eigentlich sind die und ich, was unmögliches Benehmen angeht, wohl mindestens quitt.
Ich recke mein Kinn und schiebe mich an der sonnendurchwärmten Mauer hoch. Dann äuge ich Richtung Souterrain-Eingang.
Hm.
Etwas enttäuscht bin ich schon, dort keinen nach mir ausspähenden Niklas zu erblicken.
Aber es ist besser so. Definitiv.
Keine Ahnung, was ich machen würde, wenn er jetzt tatsächlich auftauchte. O Gott, wahrscheinlich würde ich es hinkriegen, mich sogar noch lächerlicher zu machen.
Also, nichts wie weg!
Ich hole ordentlich Luft und setze zu meinem Flucht-Spurt an.
Meine Handtasche , geht es mir im selben Moment durch den Kopf.
Ich fasse an meine rechte Schulter. Wo meine Handtasche natürlich nicht baumelt. Weil sie noch an der Stuhllehne in der Nienaber’schen Küche hängt!
Das darf nicht wahr sein.
Ich stöhne auf und sinke wieder in Sitzposition.
Kein Wunder, dass keiner hinter mir hergelaufen ist.
Sie haben ja meine Tasche!
Kurz sehe ich Isolde und Nadine sie wissbegierig durchforsten. Aber nein … nein, das würden sie doch nicht tun.
Außerdem ist ja noch Niklas da, der das mit Sicherheit verhindern würde.
O Niklas …
Ich wimmere in mich hinein und stelle mir vor, wie er Isolde und Nadine einen strengen Blick aus seinen unglaublich blauen Augen zuwirft, der besagt, dass er solche Schnüffeleien zutiefst verabscheut. Und wie er dann ritterlich meine Handtasche an sich nimmt.
Ein tiefes Seufzen dringt aus meiner Kehle.
Soll vielleicht meine vergessene Tasche mich gemahnen, diesen ungewöhnlichen Mann nicht einfach aufzugeben? Bloß weil er eine fürchterliche Familie hat? Habe ich meine Tasche da hängen lassen, weil ich die Hoffnung habe, dass Niklas und ich, na ja, dass wir beide schon irgendwie mit seiner Familie fertig werden?
Oh, verdammt. Was soll ich nur tun?
Ich presse meinen Kopf auf die Knie, um mich zu konzentrieren. Immerhin ist es hier draußen schön warm und die Luft so frisch, dass ich recht angenehme Bedingungen zum Kopfzerbrechen habe.
Es ist aber auch wirklich furchtbar, eine solch kniffelige Entscheidung ganz alleine zu treffen – und irgendwie so ungerecht, dass Niklas keine Möglichkeit hat, etwas dazu zu sagen.
Schließlich ist er genauso betroffen von
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