Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
seiner langen Beine mit wenigen Schritten bei mir. »Soll ich den Hund lieber am Zaun anbinden?«
»Nein, nein«, verkünde ich. »Der kommt mit!«
»Okay. Wie du meinst«, sagt Felix.
Als wir vor der Wohnungstür stehen, sind von drinnen aufgebrachte Stimmen zu hören.
Mein Gott, was wohl passiert ist, nachdem ich das Weite gesucht habe! Streiten sich die Nienabers darüber, wessen Schuld das war? Oder ob ich noch schlimmer bin als Gesine?
Kurz erhebt sich aus dem Gezanke schrill die Stimme von Niklas’ Mutter.
Ich erschauere.
Silvester knurrt missbilligend.
»Klingt, als hätten deine neuen Bekannten gerade mächtig Streit«, bemerkt Felix sachlich. »Vielleicht sollten wir es besser später noch mal versuchen.«
»Hm«, mache ich geistesabwesend.
Schade. Trotz der beachtlichen Lautstärke der Nienabers kann ich kein einziges Wort verstehen. Hauptsächlich, weil stets mehrere auf einmal schreien. Ich lausche angespannt, um vielleicht doch einen aufschlussreichen Fetzen herauszufiltern. Niklas’ Stimme ist die einzige, die nicht zetert oder schnauzt.
Sein Ton ist beschwichtigend.
O der Arme!
Mit Sicherheit versucht er, die anderen zu beruhigen. Aber keiner scheint auf ihn zu hören.
Ich schlucke betroffen und betätige den Klingelknopf.
Der Tumult auf der anderen Seite der Tür hört schlagartig auf.
Kein Geräusch mehr. Oder … war da doch was? Ich lehne mich vor und atme ganz leise. War das ein hitziges Flüstern? Oder eher ein gereiztes Fauchen?
Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Silvesters Ohren sich aufstellen und er seinen zotteligen Kopf neigt. Gutes Tier.
Der Hund und ich lauschen konzentriert.
Mitten in unsere Bemühungen räuspert sich Felix.
Silvester und ich zucken zusammen und sehen ihn verärgert an.
»Willst du es vielleicht noch mal mit Klingeln versuchen?«, fragt Felix mich freundlich.
»Ja, sicher.« Ich zucke mit den Schultern, als läge das doch auf der Hand.
Als ich den Klingelknopf ein zweites Mal betätigen will, geht die Tür auf. Meine Hand bleibt kurz in der Luft hängen.
Niklas sieht mir herzlich ins Gesicht.
Von seiner scheußlichen Sippe ist niemand zugegen – wovon ich mich schnell durch einen Blick in den Flur überzeuge.
»Iris! Wunderbar!«, ruft er. »Du kommst genau zur rechten Zeit. Das Essen ist eben fertig.«
Als wäre überhaupt nichts vorgefallen!
Als könnte ich gleich mit ihm und seiner Familie gemütlich Mittag essen.
Ich starre ihn an.
Ist es Niklas denn kein bisschen unangenehm, wie sich seine Familie benommen hat? Ist es für ihn nicht der Rede wert, dass ich Hals über Kopf vor ihnen geflüchtet bin?
Und … denkt er überhaupt nicht, ich sei verrückt ?
Eine warme Welle der Erleichterung steigt in mir auf.
Vielleicht ist es ja tatsächlich am besten, wir verlieren kein Wort mehr über meinen peinlichen Abgang …
»Du hast sogar noch jemand mitgebracht!«, meint Niklas. »Sehr schön. Je mehr, desto lustiger, sagt man doch. Nicht wahr?«
Er streckt Felix die Hand entgegen.
»Niklas«, stellt er sich vor. Seine Augen sind so freundlich auf Felix gerichtet, als sei dieser ihm auf Anhieb unheimlich sympathisch. »Was für ein prächtiges Tier Sie da haben!«, setzt er mit einem bewundernden Nicken in Richtung Silvester hinzu.
Mit leichtem Zögern ergreift Felix Niklas’ Hand.
»Ich bin Felix, ein alter Bekannter von Iris«, sagt er und streichelt Silvesters Kopf. »Dieses Prachttier gehört leider nicht mir. Ich hatte ihn nur für eine Fotosession im Park.« Felix klingt, als wisse er nicht so recht, was er von Niklas halten soll, ist aber auch ziemlich erbaut von dessen netten Worten über den Zottelhund. »Ich bin nämlich Tierfotograf«, fügt er hinzu.
»Tierfotograf! Tatsächlich? Wie interessant! Was für eine tolle Aufgabe«, ruft Niklas.
Nun strahlt Felix übers ganze Gesicht. Komplimente für seinen Beruf sind offenbar das Größte für ihn.
Und Niklas scheint das gleich erfasst zu haben.
Ich stutze.
Wie kommt es eigentlich, dass Niklas kein bisschen überrascht ist, dass ich nicht alleine bin? Ich lasse meinen Blick über die Fassade des Souterrains schweifen. War da eine Bewegung hinter der kleinen Milchglasscheibe neben der Haustür? Ich sehe genauer hin. Ah! Das Fenster ist einen Spalt geöffnet: Gerade weit genug, um uns zu beobachten, während wir vor der Tür standen.
Und während ich und der Hund gelauscht haben.
Ich werde feuerrot.
»Iris, wie wär’s? Sollen wir deinen Bekannten bitten, uns die
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