Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
der Altersunterschied zwischen ihm und mir genauso groß wie der zwischen Felix und mir?
Während der Ober alles aufbaut und sogar die Blumen ins Wasser stellt, betrachte ich Niklas zum ersten Mal, ohne sofort in seinen tollen Augen zu versinken.
Wie alt mag er wohl sein?
Seine Haare sind ohne jedes Grau, aber schütter. Seine Geheimratsecken, nun ja, die sind so ausgeprägt, dass sie sich bald oben auf dem Kopf treffen werden – und dann wird sich über der Stirn eine kleine, vom restlichen Bewuchs abgeschnittene Haarinsel bilden. Seine Haut erscheint bei genauerer Begutachtung faltig. Auf jeden Fall hat er viel mehr Falten als Jörg. Und unter Niklas’ phänomenalen Augen finden sich üppige Tränensäcke, stelle ich verwundert fest.
Niklas sieht aus wie Ende vierzig. Mindestens.
Macht ja eigentlich nichts.
Aber wie konnten mir solche Tränensäcke entgehen?
Der Ober nickt uns zufrieden zu und eilt an den Nebentisch, um die nächste Bestellung entgegenzunehmen.
»Ein wenig Zucker?«, fragt Niklas.
Schnell löse ich den Blick von den Tränensäcken.
»Nein. Nein, danke.«
»Wirklich richtig schön hier.«
Für Niklas scheint unser kleiner Exkurs zu Felix beendet.
»Wie alt bist du eigentlich?«, frage ich, auch wenn das unhöflich ist.
Niklas hebt seine Augenbrauen.
Ha!
Im Gegensatz zu seinem Haupthaar sind sie von Grau durchzogen.
Niklas färbt sich die Haare?
»Ich bin 39.« Niklas lächelt, und in seinen Augen blitzt es jungenhaft.
Oh. Ich habe mich um volle zehn Jahre verschätzt.
Oder Niklas lügt.
»Ich habe mich so sehr darauf gefreut, dich heute zu treffen, Iris«, sagt er zärtlich und trinkt von seinem Kaffee. »Es bedeutet mir wirklich viel.«
Mein Gott.
Was mache ich hier eigentlich?
Ich habe mich doch auch so sehr auf unser Treffen gefreut!
Und nun verderbe ich alles, indem ich mir den Kopf darüber zerbreche, wie alt Niklas wohl sein mag.
Wie albern von mir.
»Mir bedeutet es auch viel.« Ich nehme eine ordentliche Gabel von meinem Pflaumenkuchen, damit er sieht, wie sehr ich unseren Cafébesuch zu schätzen weiß.
»Mhm, lecker!«, sage ich mit vollem Mund.
Von mir aus kann es jetzt erst mal richtig schön werden, bevor ich ihm mit meinen Sorgen komme. Sogar nach ein wenig Romantik ist mir zumute.
»Hast du denn schon mit der Wohnungssuche begonnen?«, fragt Niklas. »Oder kannst du erst mal als Emmas Hausgast zur Ruhe kommen?«
Weshalb muss er denn jetzt danach fragen?
Ich seufze und schlucke lustlos den Kuchen hinunter, der plötzlich nach nichts mehr schmeckt. Dann seufze ich noch mal. Ganz tief.
Niklas sieht mich besorgt an, stellt seine Kaffeetasse hin und beugt sich über den Tisch zu mir.
»Ach je. Ist es so schwierig mit der Wohnungssuche? Oder mit Emma? Das hätte ich nicht gedacht.«
Niklas klingt sehr wohl, als hätte er sich das gedacht.
Insbesondere Letzteres.
»Ich brauche ganz schnell eine Wohnung«, sage ich.
»Ach ja?«
»Ja, es ist …« Ich möchte Niklas doch lieber nicht von Emmas leichtsinnigem Finanzierungsmodell und seinem Scheitern erzählen. Sie würde bestimmt nicht wollen, dass er davon erfährt. »Es ist tatsächlich nicht so leicht mit Emma.«
So kann man es formulieren, ohne zu schwindeln. Und Niklas wird denken, Emma sei lediglich nicht die ideale Wohngenossin.
»Ich verstehe«, sagt Niklas. »Wie schade.«
Ich nicke stumm.
»Kann ich dir denn irgendwie helfen, Iris?«, fragt er und blickt mir tief in die Augen.
Einige Sekunden bin ich von seinem Blick gefangen. Und zwar richtig gerne.
Dann überkommt mich so eine Art eine Vision. Jedenfalls sehe ich es ganz deutlich vor mir: Ein Reihenhaus. Mit Vorgarten. Und Niklas und mir.
O mein Gott!
Wo kommt denn das mit einmal her?
»Nein. Nein, ich glaube nicht«, sage ich. »Aber danke.«
»Hast du schon etwas gefunden?«, fragt er. »Oder zumindest was in der engeren Wahl?«
»Eigentlich nicht.«
Obwohl im Internet einige nette und erschwingliche Mietwohnungen waren. Eine sogar direkt am Park. Und mit hübscher, neuwertiger Einbauküche.
Es will sich aber partout keine Vision davon einstellen. Von der netten, kleinen Wohnung. Mit mir. Allein in der Einbauküche.
»Na, dann musst du es wohl weiter mit Emma aushalten«, sagt Niklas, »bis du was gefunden hast, das dir wirklich gefällt.«
Was mir wirklich gefällt …
»Hm.« Auf einmal bin ich ganz verzagt.
Ach, was mir wirklich gefällt …
Ich will doch gar keinen Singlehaushalt. Oder eine WG mit Emma.
Ich werde
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