Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
bald vierzig und will endlich das, worauf ich die letzten acht Jahre an Jörgs Seite immer gehofft habe.
Ein Familienleben!
Meine Augen füllen sich mit zornigen Tränen. Warum habe ich nur so viel Zeit mit Jörg verplempert? Der hatte doch von Anfang an Vorbehalte gegen ein Familienleben. Rasch schiebe ich den Kuchenteller weg, damit meine Tränen nicht auf das Gebäck fallen.
»Hier, nimm«, sagt Niklas leise und reicht mir seine Serviette.
Dann steht er auf und setzt sich auf den Stuhl neben mir. Behutsam legt er eine Hand auf meinen Arm. Ich tupfe, so gut es geht, mit der dünnen Serviette meine Augen trocken und höre, wie Niklas sich räuspert.
»Soll ich mal etwas ganz Verrücktes vorschlagen, Iris?«
Erstaunt schaue ich ihn an. Mein Blick ist durch die Tränen verschleiert, aber ich kann erkennen, wie entschlossen Niklas aussieht.
»Womöglich ist es auch gar nicht so verrückt«, sagt er ernst.
»Ja?« Mein Herz pocht mit einmal laut und wild.
»Vielleicht ist es sogar höchst vernünftig.«
Ich nicke und meine Tränen sind vergessen.
So, wie Niklas mich anschaut, ist offensichtlich, dass er sich ganz viele Gedanken um mich gemacht hat. Das tut so gut – und außerdem hat er ja so recht!
»Was ist schon vernünftig ?«, schniefe ich und denke an die Jahre mit Jörg. Wer weiß, wie es mir heute gehen würde, wenn ich schon früher was Verrücktes gemacht hätte? »Manchmal stellt sich das Verrückte als das einzig Vernünftige heraus. Und umgekehrt«, füge ich mit Inbrunst hinzu.
»Hm.« Niklas fixiert mich geradezu.
Ach, für Stunden könnte ich hier sitzen, wenn er mich so ansieht.
»Iris.« Er holt tief Luft. »Wir könnten uns zusammen ein Haus kaufen.«
Einige Momente steht mein Atem still, und ich nehme weder die anderen Gäste noch die Vögel in den Bäumen wahr, sondern lediglich eine Art Rauschen in den Ohren. Und dann ist diese Vision wieder da. Nur kurz, dafür aber deutlicher als vorhin.
Ein Haus. Mit Garten. Und Niklas und mir davor.
Diesmal halten wir uns sogar an den Händen.
Wie schön das wäre!
… bestimmt ist es zu schön, um wahr zu sein.
Ich mustere Niklas.
Herrgott, aber warum denn eigentlich nicht?
Bloß, weil es so schön wäre?
Oder weil Niklas mir erst mal sagen müsste, dass er mich liebt?
Oder weil ich ihn kaum kenne?
»Obwohl wir uns kaum kennen?«, frage ich.
»Kaum?«, meint Niklas erstaunt.
»Nun ja, schon.«
»Wir kennen uns erst eine kurze Zeit«, sagt Niklas. »Aber trotzdem schon sehr gut.«
»Sehr gut?«
»Ja, sehr gut! Du kennst bereits meine Familie, Iris …« Er macht eine Pause. »Und du weißt, dass sie … ziemlich anstrengend sein kann. Nicht wahr?«
»Ja, stimmt.«
Niemals hätte ich gedacht, dass seine Familie irgendwie ein Argument dafür hergeben könnte, mit Niklas zusammenzuziehen.
Er sieht mich eindringlich an.
»Du kennst mich viel besser, als du denkst, Iris. Wirklich. Du kannst völlig nachvollziehen, dass ich es manchmal kaum bei meinen Eltern aushalte.«
O ja, das kann ich! Vollkommen!
»Doch. Schon ein wenig«, räume ich ein.
Niklas nickt.
»Siehst du?«, sagt er. »Wie gut du mich kennst. Und weil du meine Familie kennst, verstehst du auch, weshalb ich mich nach einem Menschen wie dir sehne, Iris – einem ausgeglichenen, ganz besonders liebenswürdigen Menschen. Und das ist bereits das Wichtigste, was du über mich wissen musst.«
Mein Herz rast.
Macht Niklas mir etwa eine Liebeserklärung?
»Du, du bist so anders als meine Familie.« Er fasst nach meiner Hand, die die zerknüllte Serviette wie einen feuchtwarmen, kleinen Ball umklammert.
Ich nicke und schlucke.
Der Arme. Ist sein Leben mit den anderen Nienabers etwa noch schlimmer, als ich es mir vorstelle?
»Iris«, sagt Niklas.
Er ist richtig verlegen.
Wie liebenswert.
Ich lächle ihn ermunternd an.
»Iris, du bist … ein feiner Mensch«, sagt er. »Und ein wohlwollender.«
Ich lächle weiter.
Wahrscheinlich hat er ja noch nicht alles gesagt.
Niklas drückt meine Hand ganz fest und sieht mich abwartend an.
Hm.
Sollte das doch schon alles gewesen sein?
Nur was über meinen guten Charakter?
»Und eine tolle Frau bist du natürlich auch«, fügt er hinzu, als hätte er schon wieder in mir gelesen wie in einem offenen Buch.
Tolle Frau. Na ja … immerhin.
»Du hast wunderschöne Augen«, flüstert er und lässt seinen Blick über mein Gesicht schweifen. »Und sehr … sehr sinnliche Lippen.«
Mir wird angenehm warm.
»… und eine
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