Hier und jetzt und Himbeerkuchen: Roman (German Edition)
meinem Schreibtisch. Sollte es je so weit kommen, dass ich Fotos von Niklas in diese Rahmen einlege, dann werde ich ihn längst ohne Angst um meine Gemütsverfassung zu Gesine befragen können.
Und natürlich auch über meine anderen Vorgängerinnen. Gesine wird ja nicht die Einzige gewesen sein.
Ob die anderen wohl auch so auffallend liebenswürdig waren?
Und ob die ihn auch alle verlassen haben?
Ich verschlucke mich fast an dem Apfel.
Nein. Das kann nicht sein.
Und warum denke ich so was überhaupt?
Wahrscheinlich waren es sowieso nicht viele Beziehungen, die Niklas hatte. Eher wenige und langjährige. Und ich kann mir vorstellen, dass auch er mal eine Beziehung beendet hat. Absolut. Und zwar ganz freundschaftlich. Ganz vorbildlich. Wie Jörg und ich es längst hätten tun sollen.
Am besten, ich beschäftige mich nicht mehr mit dem Thema Gesine. Jedes Mal droht Niklas in ein schlechtes Licht zu geraten, wenn ich es tue.
Das ist wirklich unfair ihm gegenüber.
Schließlich hat sie ihn aus heiterem Himmel sitzenlassen. Das hat Niklas sich nicht ausgedacht – da bin ich mir sicher. Ich konnte ihm ansehen, wie sehr er immer noch darunter leidet.
Nach meiner Mittagspause durchforste ich das Internet nach Angeboten für eine Wohnung, auch wenn so was während der Arbeitszeiten natürlich untersagt ist. Aber wann sollte ich das sonst machen? Und außerdem ist es alles andere als ein Freizeitvergnügen, sich mit kleinen Singlewohnungen zu befassen, wenn man weiß, dass man sie nicht wirklich will.
Und dann ist es endlich so weit. Mit dem letzten Schlag der Turmuhr um fünf schließe ich mein Amtszimmer von außen ab. Meine Finger zittern ein wenig dabei – vor Aufregung, gleich in Niklas’ betörende Augen zu schauen. Aber auch von dem gewaltigen Druck meiner wirren Lebenslage, den ich den ganzen Tag so prima ignoriert habe.
Allerdings darf ich auch nicht zu viel von Niklas erwarten, fällt mir plötzlich ein – keineswegs sollte ich mit der Tür ins Haus fallen.
Nicht ganz so beschwingt, wie ich es mir vorgestellt habe, gehe ich die Treppe hinunter. Als ich nach draußen trete und Niklas nicht sofort erblicke, bin ich regelrecht verdutzt.
Ich steige die breite Treppe zum Marktplatz hinunter und bleibe ratlos stehen.
Oh, oh. Ich hatte mir nicht nur ausgemalt, wie Niklas bereits voller Ungeduld auf mich wartet. Nein, sogar einen Blumenstrauß hatte ich mir dazuphantasiert.
Ich schlucke.
Mein Blick gleitet zur Turmuhr. Zwei nach fünf. Also überhaupt kein Grund für das panische Flattern, das sich in meiner Magengrube meldet.
Dann sehe ich ihn. Er kommt über den Marktplatz, rennt, lächelt und winkt mir zu.
Mit einem riesigen Blumenstrauß!
Es war überhaupt nicht albern, dass ich phantasiert habe! Niklas hat Blumen für mich. Und so wie er sich beeilt, ist es klar, dass er am liebsten pünktlich gewesen wäre.
Strahlend macht er vor mir halt und schaut mich zufrieden an.
»Wow! Wie schön, dass du dich so freust, mich zu sehen!«, stößt er hervor. Er ist ganz aus der Puste.
Ich werde nicht mal rot, derartig froh bin ich.
»Hallo!«, sage ich voller Begeisterung.
In dem leuchtend weißen Anzug, den Niklas heute trägt, sieht er aus wie ein weltgewandter Gentleman alter Schule.
»Die sind für dich!« Er hält mir die tiefblauen Blumen entgegen. »Das ist nicht zu übersehen.«
Ein Strauß nur von Iris.
»Sehr aufmerksam«, sage ich, nehme die Blumen und stecke kurz meine Nase rein, obwohl ich weiß, dass sie keinen großartigen Duft verströmen. »Wunderschön!«
»Wollen wir?«, fragt Niklas und hält mir seinen Arm hin.
Ohne Zögern hake ich mich ein.
Oh, wie viel schöner ist es mit Niklas ohne seine Familie! Ohne sie ist er ganz anders. So entspannt. Humorvoll. Und liebenswürdig.
Eben er selber.
Wie ich es mir gedacht habe.
»Das Wetter ist so prächtig. Wollen wir in das Café am Brunnen gehen und draußen sitzen?«, fragt Niklas.
Als hätte er am Morgen meine Gedanken gelesen.
»Ja«, sage ich beglückt, und wir schlendern Arm in Arm los.
Ich weiß, es ist nur eine harmlose, kleine Geste, wie Niklas mich zum Café geleitet – aber es tut so gut, dass sich jemand meiner annimmt. Nun, da Emma, Bruno und Felix allesamt aus den unterschiedlichsten Gründen ausfallen, kaum dass ich mal ihre Unterstützung bräuchte.
Auf der großzügigen Terrasse duftet es herrlich nach Kaffee und frischem Kuchen, aus den alten Bäumen zwischen den Tischen klingt Vogelgezwitscher. Niklas
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